Düster sieht es sprichwörtlich in der Hechinger Staig aus, nicht nur bei Nacht. Foto: Stopper

Harsch in historische Gebäude gerammte Plastikgaragentore, Müll, Brachflächen, leer stehende Häuser.

Hechingen - Manchmal ist es toll, ein Hechinger zu sein. Es gibt aber auch Tage, da ist es extrem peinlich. Zum Beispiel, wenn man zufällig hinter einer Besuchergruppe die Staig hinunterläuft.

Die Gruppe – offenbar Leute aus Stuttgart, die zum Bahnhof wollten – war über Goldschmiedstraße und Rabengasse in Richtung Unterstadt unterwegs. Denn das sollte nicht vergessen werden: Die Staig ist für Fußgänger praktisch die einzige Verbindung zwischen Oberstadt und Unterstadt.

Einheimische fahren wohl lieber Auto

Gut, wer geht heutzutage noch zu Fuß? Einheimische fahren wohl lieber Auto, so die Beobachtung eines Anwohners, aber Gäste reisen auch gelegentlich mal mit dem Zug an. Und die kriegen ein schräges Bild der Stadt. Die Stuttgarter waren jedenfalls schon in der Rabengasse fassungslos. Harsch in historische Gebäude gerammte Plastikgaragentore, Müll, Brachflächen, leer stehende Häuser.

Dann kam das Untere Tor. "Ah, die Stadtmauer", schöpften die Stuttgarter Hoffnung. Die hielt nur Sekunden. Die Staig runter wurde dann sogar gelacht über Hechingen. Das Wort "Slum" fiel, der keineswegs bewundernd gemeinte Ausruf "Wahnsinn" und die Frage: "Was ist das denn?"

Und da fiel dem Autor dieser Zeilen auf: Tatsächlich hat in dieser Straße Ende Oktober das letzte Geschäft dicht gemacht. Und niemand hat davon Notiz genommen. Ein türkischer Schneider. Jetzt geistern nur noch Erinnerungen durch diese Gasse. An Polsterermeister Stengel in seiner Kellerwerkstatt, an die Gitarrenlehrerin, an den Pasta-Mann und das Handarbeitsgeschäft, an den türkischen Lebensmittelladen und an die Zeit, als das schöne, grüne Gebäude mit dem Turmerker noch die Hoffnung verströmte, alles könnte auch mal wieder besser werden.

Hoffnungen sind längst erloschen

Die Hoffnung ist erloschen. Mittlerweile herrscht nicht nur Leerstand, sondern öffentlich zur Schau gestellte Verwahrlosung. Ein Schaufenster stellt ein in die Wand gebrochenes Loch zur Schau, hinter einem Drahtgitterfenster lehnt Müll, Treppen bröseln, oben an den Gebäuden wird gebaut oder gebastelt, so genau weiß man das nicht. Der Künstler Dietmar Schönherr ist mit seinem Atelier schon länger umgezogen. Jetzt auch der Schneider.

Während in Hechingen derzeit alle Augen auf den Obertorplatz gerichtet sind, zerbröselt hier die Altstadt.