Impressionen vom Brand in Hechingen und dem Einsatz am Tag danach. Foto: Stopper

Hechingen am Tag nach dem Brand: Polizei sperrt Bezirk. Abbruch beginnt noch in der Nacht.

Hechingen - "Man sollte nicht glauben, wie viele Leute heute plötzlich im Elektrogeschäft einkaufen wollen", sagt der Polizeibeamte und reibt sich die klammen Hände. Am Morgen nach der Brandnacht in der Hechinger Altstadt, bei der ein ganzes Viertel hätte abbrennen können, herrscht Hektik in der Oberstadt. Dabei haben viele Geschäfte rund um den Marktplatz geschlossen. Kunden sind ohnehin kaum unterwegs, dafür viele Schaulustige. Die Polizei schickt alle weg, die hier nichts verloren haben. Die Zugänge sind dicht, der Bereich Schlossstraße und Marktsstraße so etwas wie ein Sperrbezirk.

An den Trassbändern stehen trotzdem viele Leute, um zu schauen und zu filmen. Die Marktstraße herauf hallen das sonore Brummen von Dieselmotoren und es rummst kräftig, wenn Abbruchmaterial in die Lastwagen fällt. Feuerwehr und Abbruchfirma Hipp arbeiten Hand in Hand, und das schon seit Stunden. Die Feuerwehr spritzt Schaum und Wasser in die immer noch dampfenden Trümmer an der Stelle, wo 14 Stunden zuvor noch ein Haus gestanden hatte. Gleichzeitig zieht ein schwerer Bagger Steine und verkohlte Holzbalken auf die Straße.

Immer wieder lodern Flammen auf

Noch mitten in der Nacht hatten die Abbrucharbeiten begonnen, denn unter dem Schutt der teilweise eingebrochenen Häuser glimmen noch viele Glutnester. Auf den Straßen mischen sich Löschschaum und Schnee zu einer einzigen weißen Decke. Immer wieder lodern Flammen auf, wenn die Bagger in das Gewirr aus Balken und Bauschutt greifen. Dann löscht die Hechinger Feuerwehr nach. Noch während der Wasserdampf hochsteigt, macht der Baggerfahrer weiter.

Auf dem vereisten Pflaster schaffen Einsatzkräfte die steifgefrorenen Schläuche weg. Sie werden im Feuerwehrhaus aufgetaut. Einsatzende? Noch lange nicht. "Der Abbruch dauert", erklärt der Polizist, der seinen Kollegen beim frostigen Einsatz an der Straßensperre abgelöst hat.

Was sich in den Stunden davor hier abgespielt hat, liest sich in den Meldungen der Wehren wie ein Frontbericht aus einem Kriegsgebiet. "Es galt, den Dachstuhl der Hofapotheke, die an brennende Dachstühle angrenzte, auf jeden Fall zu halten", ist beispielsweise im Rottweiler Bericht zu lesen. Insgesamt mehrere hundert Feuerwehrkollegen aus Rangendingen, Bisingen, Burladingen, Balingen, Rottenburg, Bodelshausen, Mössingen, Reutlingen, Albstadt und natürlich aller Hechinger Abteilungswehren schafften es, dem Feuer standzuhalten. Ein hart erkämpfter Erfolg. Aber der Brandschaden davor ist verheerend. Zwei Gebäude an der Ecke Schloßstraße, Marktstraße sind zerstört. Eine schwarze Wunde mitten in der Hechinger Altstadt. Schwer beschädigt ist das Gebäude der Hofapotheke. Über Stunden hinweg hatten hier Feuerwehrleute vom Dach bis zum Keller eine durchgehende Schneise gebrochen, damit sich der Brand nicht auf weitere Häuser ausbreiten konnte. Wände und Täfelungen wurden aufgesägt. "Und das teils bei dichtem Qualm und immer mit Atemschutzmaske auf", erklärt Stadtbrandmeister Maik Bulach. Schwerstarbeit, gerade auch bei der klirrenden Kälte. "Die Leute an vorderster Front mussten da regelmäßig ausgetauscht werden". Das halte niemand lange aus.

Neun Menschen sind obdachlos

Bulach wirkt erschöpft und erleichtert zugleich. Die Einsatzstrategie ist aufgegangen. Er hat Berichte anderer Altstadtbrände gelesen und sich als Einsatzleiter dafür entschieden, eine Feuerschutzbarriere außerhalb der brennenden Gebäude zu errichten. Ein altes Haus, das in Flammen stehe, könne plötzlich zusammenbrechen. Die Statik dort sei unberechenbar. Es wäre deshalb "unverantwortlich gewesen, die Löschtrupps länger in dem brennenden Gebäude einzusetzen", betont Bulach. Man habe zuvor aber alles versucht, die Häuser zu retten. "Einige Helme hatten schon Hitzeblasen geworfen", berichtet er lakonisch. Gerade auch der Rettungs- und Löscheinsatz von der Rückseite des Gebäudes her über die Steckleiter sei riskant gewesen, "Hut ab vor denen, die mit voller Ausrüstung da reingeklettert sind, da ging es weit runter".

Gegen 22 Uhr war die Brandschutzsperre in der Hofapotheke komplett, "bis dahin hatte ich große Sorge, dass sich das Feuer noch weiterfrisst", erklärt der Gesamtstadtkommandant, der vom Gemeinderat am Donnerstag zum Stadtbrandmeister ernannt werden soll. Gelöscht war das Feuer zu dem Zeitpunkt noch nicht. Im Lauf der Nacht wechselten sich die Feuerwehreinheiten ab. Am Ende waren 230 Löschkräfte vor Ort. Dazu kamen 48 DRK-Helfer und 22 Aktive des THW.

Die Hechinger Feuerwehr war noch den ganzen Dienstag über im Einsatz. Noch am Abend rauchte es aus den Trümmern, immer wieder mussten aufflackernde Feuer gelöscht werden. Auch das verlange den Männern alles ab, erklärt Bulach: "Es ist eh' schon saukalt, aber wenn dann noch ein Wassernebel dazu kommt, ist das hart."

Hart war auch die Nacht für einige Bewohner des verwinkelten Stadtbezirks. Neun Menschen machte der Brand obdachlos, einige wurden verletzt, darunter ein Feuerwehrmann. Die meisten Bewohner rund um den Marktplatz blieben gelassen, hatten Vertrauen in die Arbeit der Feuerwehr. Sie legten sich schlafen.

Rund um die Uhr im Einsatz war auch das Rote Kreuz, das im Rathaus eine Versorgungsstation eingerichtet hatte. Hier wärmen sich die durchgefrorenen Einsatzkräfte, die stundenlang bei leichtem Schneefall und Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt Dienst geleistet haben, wieder auf. Es riecht nach Tee, Kaffee und Suppe. Und nach verbranntem Holz, der in der Einsatzkleidung steckt.

Derweil geht es draußen weiter. Die Abbrucharbeiten sollen in der zweiten Nacht in Folge weitergehen, noch immer tauchen Glutnester auf. Was an Fahrzeugen abgezogen werden kann, wird in die Garagenhallen gefahren, damit vereiste Ventile wieder auftauen können. Feuerwehrwachen sind eingeteilt, um den Brandort im Auge zu behalten, und die Schaulustigen. Der nächste Polizist am Absperrband zieht sich die Handschuhe aus, um sich die triefende Nase zu putzen. Wieder schielen Neugierige um die Ecke. Kaum zu glauben, was doch los ist in der Oberstadt. "Zahnarzttermin", fragt er einen Passanten, der durch will. "In Ordnung. Aber aufpassen."