Einen musikalischen Abend der Extraklasse bescherte Pianist Rainer Böhm den Zuhörern in der Alten Synagoge. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Klavierkonzert von Rainer Böhm begeistert das Publikum / Musikalisches Abenteuer

Wenn ein musikalisches Genre zum Abenteuer wird und es der Künstler versteht, auf der Klaviatur der Emotionen zu spielen – dann wird ein Konzert zum Erlebnis. Ein solches bescherte der Pianist Rainer Böhm am Sonntag seinen Zuhörern.

Hechingen. Die Atmosphäre in der Alten Synagoge war so, wie man sie sich vorstellt, wenn in einem Raum alle kollektiv den Atem anhalten: Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Als der aus Köln angereiste Pianist am Flügel Platz nahm, als er seine Finger auf die Tasten legte und die ersten Töne anstimmte – bereits da wurde sowohl akustisch als auch visuell deutlich, dass das Klavier für ihn weit mehr als ein Instrument ist, sondern dass es vielmehr als Medium fungiert, um Emotionen zu transportieren und Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

Die Leidenschaft – sie ist Böhms Antriebsfeder – spiegelt sich in seiner Mimik und Gestik und dringt letztlich als Melodie ans Ohr des Publikums; als eine Komposition, die, je nach Stück, zwischen Modern Jazz und Impressionismus angesiedelt, bisweilen aber auch neoromantisch angehaucht ist.

Hydor (altgriechisch für Wasser) lautet der Titel seiner neuen CD. Und aus dem druckfrischen, erst vor wenigen Wochen erschienen Werk hatte der Künstler einige Kostproben in die Zollernstadt mitgebracht, die er seinem Publikum im Rahmen einer musikalischen Soiree servierte.

Nicht von Ungefähr spielt darin auch das Thema Wasser eine Rolle, das sprichwörtlich durch die Kompositionen fließt und sich mal als zahmes Bächlein, mal als rauschender Fluss präsentiert.

Da werden Tropfen zu Tönen, Rinnsale zu Melodien, die sich schneller, immer schneller ihren Weg über eine Fläche bahnen. So wie der an der Fensterscheibe abperlende Regen, dessen stakkatoartiges Plätschern in ein sanftes Fließen übergeht. Oft sind es zwei Melodienstränge, die, bildhaft ausgedrückt, zwei Flüssen gleichen, die zunächst einzeln verlaufen, um irgendwann ineinander überzugehen.

Mächtig wogen die Wellen, die ihre Kraft aus vielen einzelnen Wassertropfen schöpfen, die, so wie sie einst ihren Anfang genommen haben, am Ende zart verklingen.

Nicht nur die tolle Akustik und der Flügel, auf dem er "sehr gerne spielt", macht die Alte Synagoge für Rainer Böhm "zu einem ganz besonderen Ort."

"Bisweilen liegt der Reiz gerade im Schrägen"

Er schätzt auch die Kommunikation mit dem Publikum, das gebannt jede seiner Bewegungen verfolgte und auch die "verdrehte Haltung" registrierte, in der er etwa das Stück "Bass Study" vortrug. "Manchmal muss man auf ganz abstrakte Ideen kommen, um Klang zu erzeugen", erklärte der Künstler. Und bisweilen liege der Reiz gerade im Schrägen.

Die Bandbreite der Variationen reicht dabei vom rauschartigen, die Sinne betörenden Spiel bis hin zum hin zum zarten, zerbrechlichen Tongemälde. Mit geschlossenen Augen griff Böhm in die Tasten, steigerte sein Spiel vom Pianissimo zum Forte, um am Ende wieder zu den leisen Tönen zurückzukehren, die fast stimmlos in Stille übergehen.

Geradezu verspielt kommt die Komposition "Badi Bada" daher, während bei "Tune for Dad" – einem Stück, das Rainer Böhm seinem Vater gewidmet hat – die leisen, gefühlvollen Momente dominieren.

Er hätte wohl noch bis in die Nacht hinein spielen können und die Zuhörer hätten noch stundenlang gebannt gelauscht. Irgendwann geht jedoch auch das schönste Konzerterlebnis zu Ende. Nachdem er seinem begeisterten Publikum noch drei Zugaben gewährt hatte, beschloss der Pianist einen Abend, der nicht nur den Abschluss der Tübinger Jazz- und Klassiktage markierte, sondern den Anwesenden sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.