Philosoph, Jurist und Redakteur der Zeitschrift Fonäne: Arhan Kardas hat in Hechingen einen Vortrag über seine Vision eines "zivilen Islam" gehalten. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Arhan Kardas berichtet in Veranstaltung des Bildungsnetzwerks über seine Koran-Auslegung

Islam – unter diesem Begriff lässt sich viel verstehen. Dass diese Religion keine staatliche Funktion haben soll, das vertrat am Freitag in einem Vortrag in Hechingen Arhan Kardas, Chef-Redakteur der Zeitschrift Fontäne. Einige Fragen blieben aber offen.

Hechingen. "Ziviler Islam versus politischer Islam" war der Titel der Veranstaltung im Bildungshaus St. Luzen. Veranstalter war das Bildungsnetz Hechingen. Wie brisant das Vortragsthema ist, zeigte sich schon an der Zusammensetzung der Zuhörer an diesem Abend. Viele Muslime, allerdings nach Aussage eines Kenners der Szene eher solche, die der Gülen-Bewegung nahe stehen und wohl niemand, der sich an der Hechinger Ditib-Moschee orientiert. Dafür waren einige Nicht-Muslime unter den Zuhörern. Die Debatte über Auslegungen des Islam scheint also auch unter Hechinger Muslimen schwierig zu sein.

Reibungspunkte gibt es genug. Arhan Kardas, studierter Philosoph und Jurist, machte klar, dass ihm zumindest seit einigen Jahren die stark am türkischen Staat und ihrem Präsidenten Erdogan orientierte Islam-Auffassung der Ditib-Moscheen nicht gefällt.

Mohammed, der Prophet des Islam, sei von Gott nur ausgesandt worden, um ein Gottesreich auf Erden zu errichten, aber eben keinen Gottesstaat. Dass dies nicht dem entspricht, was derzeit in der überwiegenden Zahl aller muslimisch dominierten Ländern praktiziert wird, räumte er ein, aber er verwies darauf, dass auch das Christentum 300 Jahre nach seiner Gründung von den Römern als Staatsreligion vereinnahmt wurde. Davon habe sich Europa auch erst im Lauf der Zeit wieder befreit.

Seiner Ansicht nach hatte Mohammed keine Staatsgründung im Sinne, seine Gebote bezögen sich ausschließlich auf die persönliche, moralische Lebensweise. Selbst das Osmanische Reich, in dem der Sultan auch religiöse Leitungsfunktionen hatte, verfolgte seiner Ansicht nach keine religionspolitische Agenda. Die Idee des politischen Islam entstamme als Ideologie stattdessen der Zeit, in der sich Muslime aus den Zwängen der Kolonialisierung befreit hätten.

Den Islam sieht Arhan Kardas im Gegenzug dazu sogar als staatsfeindliche Religion an. Als Beleg zog er heran, dass alle vier Gründer des bis heute wichtigen Islam-Gelehrtenschulen in ihren Ländern wegen ihrer Einstellung zu Tode gefoltert wurden, weil sie den Islam eben nicht politisch instrumentalisieren lassen wollten.

Für Arhan Kardas ist also die von ihm die als "ziviler Islam" genannte Richtung die einzig richtige Auslegung der Absichten des Propheten Mohammed. Und danach sollte jeder Moslem schlichtweg so leben, dass andere Menschen weder durch seine Aussage noch durch seine Handlungen verletzt werden können.

Die durchaus zahlreichen nicht-muslimischen Zuhörer im Publikum hatten immer wieder Probleme, den weitschweifig vorgetragenen Argumentationssträngen von Arhan Kardas durchgehend zu folgen. Inwiefern etwa seine Ausführungen zum Wirken Mohammeds in Mekka und Medina durch eindeutige Quellen belegt sind, und ob es hier auch andere Quellen gibt, blieb oft offen. Dass Mohammed 43 Jahre lang friedlich als Prophet wirkte, aber nur vier Tage Krieg führte, hat man auch schon anders gelesen.

Die Diskussion wirkte ebenfalls zerfasert. Es ging um das Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Deutschland. Nach Ansicht von Arhan Kardas ist dieses Verbot legitim, so lange eine demokratische Mehrheit in Deutschland dies so will. Das Kopftuch werde eben derzeit stark als sichtbares Zeichen des politischen Islam gesehen, woran er vor allem auch die Ditib-Gemeinden in ihrem blinden Gehorsam Erdogan gegenüber als nicht ganz unschuldig ausmacht.