Elser-Theaterpremiere: Bundesverfassungsgericht kassiert Hechinger Urteil ein.

Hechingen - Die rechte Flugblatt-Aktion nach der Premiere des Stücks "Georg Elser – alleine gegen Hitler" am Theater Lindenhof in Melchingen bleibt straffrei.

Gestern sprach das Amtsgericht Hechingen die NPD-Funktionärin Edda Schmidt aus Bisingen vom Vorwurf der Beihilfe zur Verunglimpfung des Staats frei. Außerdem erhält sie eine Entschädigung für die Durchsuchung der Büroräume in ihrem Haus. Auf Freispruch hatte zuletzt auch die Staatsanwaltschaft plädiert – gezwungenermaßen.

Der Vorfall liegt vier Jahre zurück. Nach der Premiere des Theaterstücks über den Hitler-Attentäter Elser, der 1939 im Bürgerbräukeller in München eine Bombe gezündet hatte, wurden am Eingang des Lindenhofs Flugblätter verteilt, weitere Exemplare steckten hinter den Scheibenwischern von Autos. Unter dem Titel "Georg Elser – Held oder Mörder?" fragten die Verfasser, wie "verkommen" das System der Bundesrepublik mittlerweile sein müsse, wenn ein "Mörder" als Vorbild dargestellt werde, und ob nun bald auch "RAF-Terroristen verehrt" würden. Bei Elsers Anschlag seien "acht unschuldige Menschen" getötet und 30 verletzt worden. Ein "Mörder" könne "kein Vorbild" sein.

Einspruch gegen ersten Strafbefehl scheitert vor Oberlandesgericht

Im Impressum hatte sich Schmidt (63) als Vorsitzende des NPD-Kreisverbands als presserechtlich verantwortlich für den Inhalt erklärt. Wenngleich das Gericht der Auffassung war, dass die Verfasser des Flugblatts "anonym" blieben und der Inhalt nicht von Schmidt stamme, versuchten die Behörden, sie wegen Beihilfe in Haftung zu nehmen. Zunächst verhängte das Gericht einen Strafbefehl über 3600 Euro, die Höhe der 90 Tagessätze wurde im Prozess im September 2008 jedoch auf zehn Euro gesenkt, nachdem Schmidt die Zahlung verweigert hatte. Gegen den Schuldspruch hatte die 63-Jährige Rechtsmittel eingelegt, war damit aber im März 2009 vor dem Oberlandesgericht Stuttgart gescheitert. Schließlich war Schmidt vor das Bundesverfassungsgericht (BVG) gezogen und hatte dort Ende November 2011 Recht bekommen. Die oberste Instanz hob das Hechinger Urteil auf und wies den Fall zurück ans Amtsgericht.

Interessant ist die Begründung des BVG. Die obersten Richter kamen zur Auffassung, dass das Flugblatt keine "unwahren Tatsachenbehauptungen" im juristischen Sinne enthalte, wie das Amtsgericht das "Pamphlet" (Staatsanwalt) bewertet hatte. Es sei eine "Meinungsäußerung". Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, entsprechend weiter gefasst seien hier die Grenzen. Der Inhalt des Flugblatts habe die "Schwelle der Rechtsgutverletzung" dabei nicht überschritten. Der Staat müsse sich auch "scharfe und polemische Kritik" gefallen lassen. Jedenfalls sei der Staat und seine Organe durch das Flugblatt "nicht dermaßen verunglimpft", dass er sich zur Wehr setzen müsse. Die Verfasser hätten nicht zum Umsturz aufgerufen. Jedenfalls sei es "ausgeschlossen", dass das Flugblatt die Existenz der Bundesrepublik "gefährdet".

Verteidiger wertet Urteil als "Ohrfeige für Staatsanwaltschaft"

Der Verteidiger wertete den VGH-Spruch als "Ohrfeige für Staatsanwaltschaft, Amtsgericht und Oberlandesgericht". Man dürfe "der Meinung sein", dass Elser ein Held sei – oder eben auch nicht.