Gleichermaßen berührend wie eindrucksvoll war die musikalische Revue des Gymnasiums, die unter dem Titel "Lili Marleen" stand. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Musikkurs der Klassen 12 und Chor des Gymnasiums führen "…wie einst, Lili Marleen" auf

Es sind nur zwei Worte. Doch sie umfassen ein ganzes Kaleidoskop an Emotionen: Lili Marleen. Mit einer musikalischen Revue erinnerte das Hechinger Gymnasium an das Lied, das um die Welt ging.

Hechingen. Es ist eine Geschichte von Liebe und Tod, von Sehnsucht, Hoffnung und Schmerz. Noch heute besitzt die von Norbert Schultze komponierte melancholische Melodie, die auf den Text des Schriftstellers Hans Leip zurückgeht, die Macht, Menschen zu berühren. Was ist es, das unwillkürlich ein Gänsehautgefühl auslöst? Ist es das Schwelgen in Nostalgie, die Erinnerung an Vergangenes, wohl nicht mehr Wiederkehrendes und doch so heiß Ersehntes?

In ihrer Revue "…wie einst, Lili Marleen" haben der Musikkurs der Klassenstufe 12 und der Chor des Hechinger Gymnasiums unter der Leitung von Cornelia Prauser und Wolfgang Nägele ein Thema aufgegriffen, das ebenso facettenreich wie zeitlos ist. Im Spiegel seiner Zeit ist es zunächst ein Gedicht, das Hans Leip im Jahre 1915 auf dem Weg zur Ostfront schrieb. Das Mädchen, das der Soldat zurücklässt – es verleiht der allgemeinen Gefühlslage jener Jahre Ausdruck, die mit Trennung von geliebten Menschen, Sehnsucht, Einsamkeit und Angst verbunden ist. 1938 vertont, sei "Lili Marleen" anfangs jedoch ein Flop gewesen, ließen die Schüler die zahlreichen Besucher in der Alten Synagoge wissen.

Es sei dem Zeitgeist, aber auch dem Zufall geschuldet, dass das im Original von Lale Andersen gesungene Lied 1941 schließlich zu einem Kriegsschlager wurde; zu einem abendlichen Höhepunkt im Programm des "Soldatensenders Belgrad."Verwoben ist es aber nicht nur mit seiner Zeit, sondern auch mit den Menschen hinter dem Lied; etwa mit dem Komponisten Norbert Schultze, der, versiert als Autor martialischer Propagandamusik, später einmal folgenden Satz äußerte: "Ich war damals im besten Soldatenalter. Für mich war die Alternative: komponieren oder krepieren."

Unter dem Stalin-Regime war Schostakowitsch als Komponist tätig

Mit Lale Andersen, die wegen ihrer Briefkontakte zu jüdischen Emigranten irgendwann Auftrittsverbot bekam und verhaftet wurde oder mit Marlene Dietrich, durch die die englische Fassung des Soldatenlieds zum Welthit wurde. "Ein Lied geht um die Welt" – das trifft nicht nur auf "Lili Marleen" zu, sondern ist der Titel eines musikalischen Werkes, mit dem der Tenor Joseph Schmidt einen grandiosen Erfolg feierte. Schmidt floh später vor den Nazis, in deren Visier auch die drei jüdischen Mitglieder der Comedian Harmonists ("Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück") gerieten, denen Berufsverbot erteilt wurde. "Benutzt, verfolgt oder eliminiert" – im Hitler-Deutschland das Schicksal zahlreicher Künstler, wie die Schüler deutlich machten.

Unter dem Stalin-Regime als Komponist tätig war hingegen Dmitri Schostakowitsch, der jedoch gleichzeitig auf Distanz zum stalinistischen System blieb. Neben seinem Marsch, der als zynische Karikatur gedeutet werden kann, erklang ein Ausschnitt aus seiner 14. Sinfonie. "Man bekommt beim Hören wirklich eine Gänsehaut", betonte einer der jungen Moderatoren. Interessant ist auch der Blick das Frauenbild jener Zeit. Repräsentiere Lili Marleen ein angepasstes Frauenbild, setze sich die Seeräuber-Jenny aus der Dreigroschenoper selbstbewusst zur Wehr, vermittelten die Akteure.

Am Ende des Abends wurde dann noch einmal das Thema Krieg aufgegriffen, das – wie Schulleiterin Melanie Dreher betonte – heute nach wie vor aktuell ist. Während der "Kanonensong" und "Where have all the flowers gone" eindringlich dessen grausame Konsequenzen vor Augen führen, verkündet John Lennons "XMas" eine unmissverständliche Botschaft: Wenn Du es willst, ist der Krieg vorbei, heißt es in seinem Song. Ob es dann wieder so sein wird "wie einst, Lili Marleen"? Am Ende der berührenden Revue stand dahinter bewusst ein Fragezeichen.