So lebte es sich einst in der Villa Rustica: Wenn die Römerin Quintilla aus dem Nähkästchen plaudert, hören ihre Gäste aufmerksam zu. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder-Bote

Museum: Bei der Kostümführung in der Villa Rustica gibt es allerhand zu entdecken und erfahren

So residierte, badete und speiste eine echte Römerin. Alles längst Vergangenheit? Mitnichten. In ihrem kobaltblauen Gewand wandelt Quintilla noch heute durch die Villa Rustica – und öffnet sie bei Kostümführungen für die Besucher des Museums.

Hechingen-Stein. Wir befinden uns am Ende des 1. Jahrhunderts. In Rom herrscht Kaiser Domitian. Und mehr als 1000 Kilometer entfernt, errichten die Römer in einem germanischen Flecken, der heute als die Ortschaft Stein bekannt ist, ein Anwesen. Nicht irgendeines, sondern eine Villa Rustica, ein großzügig bemessenes Landgut.

Im Laufe der Jahre hat dieses Landgut viele Bewohner beherbergt. Eine der letzten von ihnen ist Quintilla – wie der Name schon sagt, das fünfte Kind einer recht wohlhabenden Familie. Die Römer sind irgendwann gegangen. Quintilla, die von Iris Kappler verkörpert wird, ist jedoch geblieben. Und wenn sie die Türen ihrer Residenz für Besucher öffnet, dann treten Antike und Gegenwart in einen spannenden Kontrast.

30 Besucher wollen die Kostümführung miterleben

Am Sonntag begehrten gleich mehr als 30 Gäste Einlass. Diese bekamen nicht nur eine hochinteressante Führung, sondern wurden von der Hausherrin auch noch bewirtet. "Sie alle sind von irgendeinem Stamm der Germanen, richtig?", begrüßt Quintilla die Anwesenden. "Da haben sie aber Glück, dass ich Ihre Sprache spreche."

Ein bisschen Vorsicht ist bei den Fremden trotz aller Freundlichkeit aber doch geboten. Denn, so weiß sie aus Erfahrung: "Alamannen haben es besonders auf Metall abgesehen."

Die Sonntagsausflügler sind allerdings – anders als ihre Vorfahren – in friedlicher Absicht gekommen. Letztere haben den Handel im Jahre 235 doch erheblich gestört. Sehr zum Unmut von Quintilla, die den Wein in Amphoren sogar aus Südfrankreich ordert. Und auch sonst lebt sie ein bisschen wie Gott in Frankreich und genießt zahlreiche Annehmlichkeiten, auch wenn sie der Meinung ist, dass es schlauer sei, nicht mit Sklaven zu arbeiten. Denn diese hätten einen hohen Gegenwert.

Nichtsdestotrotz: Jemanden der sie frisiert und der ihr hilft, ihr Gewand anzulegen, hat sie dann doch – und im Grunde sogar auch einen Beruf. "Ich verwalte die Einnahmen der Mühle", lässt sie ihre Gäste nicht ohne Stolz wissen.

Eine Frau in der Antike berufstätig? Warum nicht. Schließlich ist sie ja gebildet, kann Rechnen und Schreiben und besitzt sogar eine umfangreiche Bibliothek. Auch sonst ist Quintilla für die damaligen Verhältnisse ziemlich up to date. Im Gegensatz zu den Germanen, die ihre Fenster mit Leder bespannen – "finden Sie das fortschrittlich?" – verfügt sie über Fensterglas, lässt ihre Wände dekorativ bemalen – "in Trier ist das gerade der letzte Schrei" – und darf die Annehmlichkeiten einer Fußbodenheizung genießen.

Quintilla schreibt ihre SMS auf einer Wachstafel

Sogar mit den modernen Kommunikationsmethoden kann sie fast mithalten. Über einen Besucher, der ständig "auf so einem Gerät wischt", lächelt sie nur milde. "Letztlich sagte einer, das Ding heißt SMS", amüsierte sich Quintilla, die ihre Nachrichten auf Wachstafeln schreibt. Ihre "SMS" lassen sich übrigens ebenfalls sehr gut wieder löschen – durch die Sonne oder eine brennende Kerze.

Apropos Wärme: Auch im Bad der Hausherrin erreichen die Temperaturen angenehme Werte. Im Sudatorium, das mit heutigen Saunen vergleichbar ist, ist sogar Schwitzen angesagt. Und als Wellness-Einlage zwischendurch gönnt sie sich eine Ölmassage. Man lernt – schon in der Antike gab es Genießer. Zu ihnen zählte auch der Feinschmecker Marcus Gavius Apicius, nach dessen Rezepten Quintilla am Sonntag Häppchen für die Besucher vorbereitet hatte. Unter anderem durften Kräuterquark und "Mulsum", ein römischer Würzwein, gekostet werden.

Weitere Informationen: Die nächste Kostümführung mit Quintilla findet am Sonntag, 24. September, um 14 Uhr statt. Anmeldungen unter Telefon 07471/6400.