Martin Baier hat die Tagebücher seiner Eltern aus den Jahren von 1940 bis 1947 veröffentlicht. Sie führen zurück in eine dunkle Vergangenheit. Foto: Archiv Foto: Schwarzwälder-Bote

Martin Baier führt mit den Tagebüchern seiner Eltern zurück in eine dunkle Zeit

Von Rolf Vogt

 

Hechingen. Von "Tränen im Dschungel" und einer dunklen Zeit berichtet jetzt Martin Baier. Der in Hechingen lebende Theologe hat die Tagebücher seiner Eltern veröffentlicht. Sie sind ein erschütterndes Zeitdokument.

Eins der großen Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs war die Versenkung des holländischen Dampfschiffs Van Imhoff am 19. Januar 1942 vor der Küste von Sumatra durch ein japanisches Bombenflugzeug. In der Nähe kreuzende holländische Schiffe verweigerten den Ertrinkenden jede Hilfe. 407 deutsche Zivilgefangene, die nach Indien deportiert werden sollten, kamen ums Leben, unter ihnen der bekannte Maler und Komponist Walter Spies.

Martin Baiers Vater Johann Georg, ein Missionar der Basler Mission, hatte Glück. Er fuhr der Van Imhoff im zweiten von drei Transporten einige Tage voraus. In Britisch-Indien landete er im Internierungslager Dehradun. Dort blieb er bis 1946. Einer seiner Leidensgenossen war – auch wenn sich beide nicht gekannt haben – Heinrich Harrer, der nach Tibet fliehen konnte und Freundschaft mit dem Dalai Lama schloss. Mutter Luise Baier lebte nach der Internierung der deutschen Männer in Niederländisch-Indien im Mai 1940 ein Jahr lang in Ungewissheit auf Borneo und wurde dann nach Japan abgeschoben. Dort war sie Kindergärtnerin und zitterte mit anderen gestrandeten Exil-Deutschen um das Schicksal von Angehörigen und Heimat.

Die Tagebücher der Baiers – und einige Kinderbriefe ihres Sohns Martin – eröffnen einen Blick in eine fremde und manchmal bizarre Welt von Ex-Pats. Die Auslandsdeutschen – zumindest die Missionare – wussten wenig von Hitler-Deutschland und wurden in Internierung und Exil doch Patrioten, denen die Nachrichten aus Europa weh taten. Über die Erlebnisse der in Japan während des Zweiten Weltkriegs festsitzenden Deutschen ist bisher gar nichts bekannt – die Tagebücher Luise Baiers sind ein einzigartiges Zeitdokument. Die Geiselnahme deutscher Männer durch Holländer und Briten in Süd- und Südostasien erhellt Johann Georg Baiers Tagebuch mit seiner eigenen Geschichte von Deportierung und Internierung.

Eine zwölfseitige Einführung, die Martin Baier zu einer kämpferischen Abrechnung mit der ethnologischen und historischen Literatur über die christliche Missionstätigkeit in der Kolonialgesellschaft von Niederländisch-Indien nutzt, leitet die Tagebuch-Edition ein.

Martin Baier war vor und nach 1970 selbst fast zehn Jahre lang Missionar und Lehrer in Indonesien. Heute lebt er, 80 Jahre alt, im Ruhestand in Hechingen. Das größte muslimische Land der Welt ist immer noch seine Herzenssache. Ende Juni tritt Baier die nächste Reise an. Der vierwöchige Aufenthalt auf Bali und Sumba ist mit Vorträgen und Gemeindebesuchen gefüllt. Baier hofft, an der Verbesserung der Wasserversorgung in seinen Gemeinden mitarbeiten zu können.

DAS BUCH: Martin Baier: Tränen im Dschungel – Wiedersehen auf Trümmern. Kindergärtnerin der Deutschen in Tokyo. Augenzeugenberichte aus einer dunklen Zeit (1940-1947) in Niederländisch-Indien, Britisch-Indien und Japan. VTR Verlag für Theologie und Religionswissenschaft. Nürnberg 2014. 144 Seiten. Mehrere Abbildungen und Karten. ISBN 978-3-95776-020-3. 14,80 Euro.