Jochen Goedecke vom Nabu-Landesverband hielt im Bildungszentrum St. Luzen einen interessanten Vortrag, der zur einer regen Diskussion führte. Foto: Renner Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Nabu-Experte Jochen Goedecke regt eine lebhafte Diskussion unter den Besuchern an

Einem interessanten Vortrag von Nabu-Experte Jochen Goedecke lauschten 30 Interesse im Bildungszentrum St. Luzen. Er referierte über die aktuelle Situation in der Landwirtschaft und zeigte Lösungen auf.

Zunächst wartete Jochen Goedecke, Projektleiter des Dialogforums "Landwirtschaft und Naturschutz" beim Nabu Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart, mit einigen interessanten Statistiken auf. So habe Deutschland eine Gesamtfläche von 35,7 Millionen Hektar, knapp die Hälfte davon werde landwirtschaftlich betrieben. "Die Intensität der Landwirte nimmt immer mehr zu", stimmt ihn diesen Umstand nachdenklich. Ein Landwirt müsse immer mehr Menschen ernähren. So sei der Winterweizenertrag zwischen 1980 und 2004 von knapp 50 auf über 80 Dezitonnen pro Hektar gestiegen. Gleichzeitig sinke die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe immer mehr. Laut dem Statistischen Bundesamt waren es 1971 noch sage und schreibe 190400 Einheiten. Selbst zwischen 2007 und 2016 ist ein spürbarer Rückgang zu verzeichnen – von 57000 auf nur noch 40500.

Auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln nehme immer mehr zu. "Die Zahlen sind zwar zwischen 1995 und 2018 relativ konstant, aber Pflanzenschutzmittel sind Gift. Man muss eine Reduktionsstrategie finden", fordert Goedecke. Auch hierzu hatte er Zahlen parat. Das Saldo der landwirtschaftlichen Stickstoff-Gesamtbilanz in Bezug auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche liege bei 97 im Fünf-Jahres-Mittel. Das ambitionierte Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zwischen 2028 und 2032 sei ein Wert von 70.

Goedecke ging vor allem auf das Insektensterben ein. Laut einer Studie ist die Zahl der Insekten zwischen 1989 und 2013 um rund 80 Prozent zurückgegangen. "Heute fahre ich auf der Autobahn 500 Kilometer und habe zwei Viecher auf der Frontscheibe", pflichtete ihm einer der Besucher bei. Goedecke lieferte Infos zur Agrarpolitik, die immer einen Sieben-Jahres-Zyklus hat. "Erst 2023 wird es eine neue Agrarpolitik geben", betonte Goedecke.

Schutzmaßnahmen müssen ergriffen werden

Die aktuelle Agrarpolitik von 2014 bis einschließlich 2020 beruhe auf den zwei Säulen "Direktzahlungen an die Landwirte" und "Agrarumweltprogramme." Jeder Landwirt erhalte von der EU 162 Euro Basisprämie und 86 Euro Greeningprämie. Zum zweiten Punkt ergänzte der Nabu-Experte, dass nur zwölf Prozent der ökologischen Vorrangflächen in Baden-Württemberg auch wirklich ökologisch hochwertig sei.

Diverse Schutzmaßnahmen müssten deshalb ergriffen werden. Goedecke nannte hier die Förderung einjähriger Brachflächen, den Erhalt von Feldreihen und die Verzögerung des Stoppelumbruchs.

"Wohin steuert die Landwirtschaft?", wollte ein Besucher wissen. Goedecke hatte eine schnelle Antwort parat: "Momentan ist sie leider produktionsorientiert. Der Weg in den Ökolandbau muss eingeschlagen werden." Auch der Bürokratismus mache den Landwirten zu schaffen. "Die Kontrollen in der Landwirtschaft sind inzwischen pervers", schüttelte Goedecke mit dem Kopf.

Abschließend stellte Goedecke noch zwei Projekte vor. Zum einen die Nabu-Studie "Fit, fair und nachhaltig – Vorschläge für eine neue EU-Agrarpolitik", die auf der Homepage unter www.nabu-bw.de eingesehen werden kann. Und zum anderen die erst gestern live gegangene Internetseite www.fairpachten.org. Dort bietet der Naturschutzbund einen Musterpachtvertrag und Beratung (keine Rechtsberatung) an. 30 Fairpachten-Steckbriefe stünden für unterschiedliche Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung.

Schon während und vor allem nach dem Vortrag entstand eine lebhafte Diskussion mit den Besuchern. "Wir müssen miteinander über die Probleme reden", forderte ein Landwirt aus Ofterdingen. Mit "die engagierte Diskussion zeigt, wie wichtig es jedem ist" beendete Hans-Martin Weisshap vom Nabu Hechingen den offiziellen Teil und überreichte Goedecke als Dank für seinen Besuch eine Flasche Wein.