»Im Normalfall bekommt man mit uns keinen Streit, wenn man ihn nicht unbedingt sucht«: Ingo Dura, Präsident der »Hells Angels« Reutlingen. Foto: privat

"Hells Angels"-Präsident über seine Feier in Hechingen und seine Einstellung zum Leben.

Hechingen - Faszinierend, irritierend oder abstoßend – die »Hells Angels« polarisieren. Am Wochenende feiert der Reutlinger Clubpräsident seine Hochzeit in Hechingen. Wir sprachen mit ihm darüber, was auf die Stadt zukommt und wer die »Angels« nach ihrem Selbstverständnis überhaupt sind.

Herr Dura, Sie heiraten kirchlich. Legt ein »Hells Angel« tatsächlich Wert auf den Segen von oben?

Ich weiß nicht, wie das bei anderen vom »Hells Angels Motorcycle Club« ist, aber bei mir ist das definitiv so. Sonst würde ich nicht kirchlich heiraten. Ich bin keiner, der etwas so rum sagt, aber anders rum denkt.

Ihre Hochzeit löst einigen Wirbel aus. Wie gehen Sie persönlich in den Tag? Aufgeregt?

Ich bin nicht verantwortlich für den Wirbel. Das haben andere gemacht. Aufgeregt hat mich nur die Stimmungsmache gegen meinen Motorradclub. Bei den Vorwürfen, die gegen uns erhoben werden, stellt sich meistens heraus, dass entweder gar nichts dran war oder dass viele Unwahrheiten verbreitet wurden. Wenn Guttenberg lügt und betrügt, sind dann auch alle Politiker so? Wenn manche aus der katholischen Kirche Kinder missbraucht haben, sind dann alle in der katholischen Kirche so? Eben nicht.

Zur Party in Hechingen kommen rund 1000 Gäste, heißt es. Kann man sich angesichts so vieler Rocker überhaupt noch auf die Straße trauen?

So, heißt es das. Wer hat das gesagt? Natürlich kann sich jeder auf die Straße trauen. Die, die uns persönlich kennen, wissen das. Das ist eine Hochzeitsfeier.

Wer sind die »Angels«, und was machen Ihre Clubmitglieder, wenn sie nicht gerade auf der Harley sitzen?

Wir sind der älteste Motorradclub der Welt, eine Subkultur, die sich inzwischen verselbstständigt hat. In manchen Chartern haben wir schon drei Generationen als Mitglieder. Der gemeinsame Nenner des »Hells Angels Motorcycle Club« ist die unbedingte Zusammengehörigkeit, die Bruderschaft. Und das ist keine Floskel, sondern das wird jeden Tag gelebt. Natürlich dreht es sich auch um das Bike, wobei für mich der Mensch wichtiger ist als das Bike. Der »Hells Angels MC« ist weder politisch orientiert noch verfolgt er wirtschaftliche Ziele oder Ähnliches. Deshalb sind wir nicht kontrollierbar, was Regierungen und Verwaltungsbehörden nicht mögen. Ein einzelner Mensch, der moderne Single, der sich auf Geld und Äußerlichkeiten konzentriert, ist in unseren Augen steuerbar wie eine Marionette. Wir lassen das mit uns nicht machen.

Sie sagen, die »Angels« seien im Grunde genommen fried- und freiheitsliebende Menschen. Alles Engel?

Nein, so habe ich das nicht gesagt. Wir sind nicht alle Lämmchen. Ich sage, im Normalfall bekommt man mit uns keinen Streit, wenn man ihn nicht unbedingt sucht. Wer gut zu uns ist, zu dem sind wir doppelt gut. Wer schlecht zu uns ist, zu dem sind wir doppelt schlecht. Wer sich mit einem »Hells Angel« anlegt, muss wissen, was er tut.

Was ist Freiheit?

Bloß über Freiheit zu reden oder wirklich frei zu sein, da gibt es einen grundsätzlichen Unterschied. Immer schärfere Gesetze mit dem Argument der inneren Sicherheit, das ist doch Bullshit. Aristoteles hat einmal gesagt, wer Freiheit gegen Sicherheit eintauscht, hat beides nicht verdient. Freiheit fängt im Kopf an. In meinem Kopf lasse ich nichts reglementieren.

Manche »Angelegenheiten« regelt der Club selbst, heißt es. Passt das zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, in der der Staat das Gewaltmonopol hat?

Wir sind schon so oft von Staat und Behörden in den Hintern getreten worden, sodass wir manche Dinge eben lieber selber klären. Unsere Werte sind in erster Linie Freiheit, Loyalität, Geradlinigkeit und Respekt dem anderen gegenüber. Dass wir eigene Gesetze und eine eigene Werteordnung haben, heißt ja nicht, dass sie im Konflikt mit den Gesetzen des Staats stehen müssen. Wir sind größer und größer geworden, haben uns deshalb selbst ein paar Gesetze auferlegt, um ein friedliches Miteinander zu haben. Ich warte auf niemand und gar nichts, auch nicht auf die Polizei, wenn ich in eine Situation kommen würde, die für mich nicht in Ordnung ist.

Dann gibt's auf die Nuss.

Wenn ich sehe, dass jemand Tiere quält, ein Kind belästigt oder eine Oma überfällt, dann gibt's aufs Maul, und zwar so lange, bis der kuriert ist. In unserer Gesellschaft sind Kinder- und Tierschutzbund überflüssig.

Sie saßen auch schon im Gefängnis. Wofür?

Körperverletzung.

Nach welchen Regeln und Werten leben Sie?

Ein Mann ist ein Mann, ein Wort ist ein Wort. Einfach Wort zu halten. Vermeintlich alte Ideale müssten heute wieder mehr im Vordergrund stehen. Das braucht die Gesellschaft in meinen Augen.

Wie feiert ein »Angel« eigentlich Hochzeit? Mit Kuchen und allem?

Es wird leckeres Essen geben und ein tolles Programm mit allem Drum und Dran. Wie es bei einer Hochzeit eben so ist.

Stimmt es, dass ein Bandmitglied von Metallica zur Feier kommt?

Ich halte mich mit den Namen meiner Gäste lieber zurück. Es wurde schon genug Zirkus um meine Hochzeit gemacht.

Zur Person

Ingo Dura ist Präsident des Reutlinger Charter des Motorradclubs »Hells Angels«. Er wurde in Reutlingen geboren und lebt in der Stadt. Dura absolvierte die Realschule, ging als Freiwilliger zur Bundeswehr, diente als Fallschirmjäger. Von Beruf ist der Rocker-Präsident Industriemechaniker Maschinen und Systemtechnik. 

Mitglied der »Hells Angels« ist er seit dem 12. November 1999.