Ein irischer IRA-Kämpfer, möglicherweise wegen Mord verurteilt, hat 1975 dieses Kreuz in der Haft geschnitzt. Er bezeichnet sich darauf als Kriegsgefangener. Der Hechinger Pfarrer Herbert Würth hat es während seines Studienaufenthalts in Nordirland in einem Antiquitätenladen erstanden. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Religion: Der evangelische Pfarrer Herbert Würth hat in Nordirland beim Studiensemenster viel gelernt

Sie haben Morde begangen, Hass gepredigt, und sie haben sich doch als Christen bezeichneten: Protestanten und Katholiken im nordirischen Bürgerkrieg. Der Hechinger Pfarrer Herbert Würth hat sich in einem Studiensemester mit diesem Konflikt beschäftigt.

Hechingen. Einmal im Berufsleben darf ein protestantischer Pfarrer so ein Studiensemester absolvieren. Würth hat beim Oberkirchenrat lange dafür kämpfen müssen, am Ende mit Erfolg. Ergebnis seiner Forschungen sind eine lange Seminararbeit, die demnächst auf der Homepage "www.ev-kirche-hechingen.de" nachzulesen sein wird. Auch im Gottesdienst am Sonntag, 1. September, von 9 Uhr an in der Johanneskirche wird er darauf eingehen. Er wird dann auch ein handgeschnitztes Kreuz zeigen, das in vielen Dingen für sich spricht.

Angefertigt hat es ein zu lebenslänglicher Haft verurteilter IRA-Anhänger, der in der berüchtigten Haftanstalt Long Kesh einsaß. Lebenslänglich – das weist stark darauf hin, dass er an einem Tötungsdelikt zumindest beteiligt war. Ein Bombenanschlag, eine Erschießung, "ich habe mich dagegen entschieden, nach dem Mann zu forschen", sagt Herbert Würth.

Aber sicher ist, dass er ein Kreuz im keltischen Stil geschnitzt hat, ein Bekenntnis zum Christentum und zu den nicht-britischen Wurzeln gleichzeitig. Ein Symbol der christlichen Liebe und ein Symbol der Zugehörigkeit zum Katholizismus, der von IRA-Anhängern durchaus als Legitimation zum Mord gesehen wurde. Ihre protestantischen Gegenspieler waren ihnen hier gleich.

"Wir sind hier in Hechingen mit der Ökumene sehr weit, das ist mir dort bewusst geworden", berichtet er im Pressegespräch. Es gebe derzeit sogar Gedanken in Hechingen, dass Protestanten und Katholiken gemeinsam ein Gemeindezentrum nutzen könnten. Das sei noch Zukunftsmusik. Aber immerhin: Der Gedanke kann heute formuliert werden.

Und eine Erkenntnis habe sich ihm eingebrannt: "Die Konfession ist eine von mehreren wichtigen Identitäten von Menschen, aber das darf nie dazu führen, andere Menschen mit anderen Identitäten abzuwerten oder schlechter zu machen."

Klingt einfach, aber wer erfährt, dass in dem Bürgerkrieg in Nordirland in den Jahren zwischen 1969 bis 1998 mehrere Tausend Menschen durch Terror starben, der von Menschen beider Seiten begangen wurde, die sich selbst als Protestanten oder Katholiken sahen, der weiß, dass Frieden auch zwischen Christen keine Selbstverständlichkeit ist.

Auch Herbert Würth hat dieser Konflikt schon als Jugendlicher beschäftigt. "Sind das überhaupt richtige Christen?", solche Fragen stellten sich ihm, als er damals von den Anschlägen im angeblichen Namen einer Religion hörte. Fragen, auf die er bis heute keine klaren Antworten kennt. Ein Grund, sein Studiensemester in Irland zu verbringen. Dass seine Frau von dort stammt, könnte auch noch eine Rolle gespielt haben.

Würth besuchte ein Seminar an der Uni in Belfast, verbrachte viele Stunden in der altehrwürdigen Uni-Bibliothek, wo "viele Regalmeter" Literatur über den Konflikt bereitsteht, und er führte Interviews vor allem mit ehemals führenden Vertretern der presbyterianischen Kirche über die Frage, wie diese Feindschaft der Konfessionen überwunden werden kann.

Heraus kam eine schriftliche Arbeit, die sich mit der Frage beschäftigt, welche Rolle, die die Kirchen bei der Aussöhnung dieser konfessionellen Feindschaft spielt und spielen soll.

Keine ganz einfache Forschung, denn die vergangenen Zeiten sind längst nicht wirklich vergangen. Der Hass lebt fort. Schuld, Sühne, Vergebung? Wieso hat in Südafrika am Ende der Apartheid die Versöhnung von Weißen und Schwarzen halbwegs funktioniert, während in Nordirland die Feindschaft bis heute bestehen?

Auch hier hat Herbert Würth in einem Gespräch eine wichtige Erkenntnis erhalten. "In Südafrika gab es Vergebung nur im Gegenzug zum Schuldbekenntnis, in Nordirland wurde nach dem Friedensabkommen einfach eine Amnesty für die Gefangenen erlassen."

Mörder kamen aus dem Gefängnis, ohne sich je mit ihrer Schuld auseinandergesetzt zu haben. Auch die Kirchen, die hinter ihnen standen, hätten das Thema dann eher ausgeklammert. Im besten Fall. Manche kirchliche Vertreter hätten die Gewalttaten sogar noch verherrlicht, so Würth nachdenklich. Die Eindrücke, die er in Irland gewonnen hat, werden ihn wohl auch als Pfarrer noch lange begleiten.