"Was für ein Mensch war Edith Stein?" Das war eine der zentralen Fragen des Abends. Foto: Kommer Foto: Schwarzwälder Bote

Lesung: Schüler beschäftigen sich mit der Philosophin, Frauenrechtlerin und späteren Nonne Edith Stein

Hechingen. Der evangelische Religionskurs der zwölften Klasse des Gymnasium Hechingen gestaltete gemeinsam mit dem Chor und dem Orchester des Gymnasium Hechingen eine abwechslungsreiche und zum Nachdenken anregende Lesung über eine faszinierende historische Persönlichkeit: die jüdische Philosophin und spätere katholische Nonne und Heilige Edith Stein.

Sie sei gespannt, etwas über Edith Stein zu lernen, erklärte Schulleiterin Melanie Dreher in ihrer Begrüßung. Darüber, was für ein Mensch Edith Stein war, und welche Gegensätze ihr Leben prägten. Sie meinte weiterhin, dass die Hechinger Synagoge der richtige Ort für eine solche Veranstaltung sei. Dieser historische, stimmungsvolle Ort verleihe der Lesung eine ganz besondere Wirkung.

Im Verlauf der Lesung, die unter dem Titel "Edith Stein – eine deutsche Geschichte" stand, las jeder Schüler des Kurses einen selbst geschriebenen Brief an Edith Stein vor, der jeweils einen Aspekt des sehr vielfältigen Lebens dieser Frau beleuchtete. Religionslehrer Wolfgang Nägele hatte die Texte der Schüler redigiert und die Schüler in ihrer Beschäftigung mit Edith Stein angeleitet. Untermalt wurden die Texte durch den Chor und das Orchester des Gymnasiums. Unter den Stücken waren einige thematisch sehr passende Werke auf Hebräisch und Jiddisch. So eröffnete der Chor unter der Leitung von Musiklehrerin Cornelia Prauser den Abend mit dem jüdischen Volkslied "Shalom alechiem", das einen tiefen Wunsch nach Frieden unter den Menschen zum Ausdruck bringt.

Das Orchester unter der Leitung von Andrea Nägele spielte unter anderem das Kirchenlied "Bewahre uns Gott". Durch diese Komposition aus Text und Musik blieb dem Publikum Zeit, über das Gehörte nachzudenken und zu reflektieren. In ihren Briefen thematisierten die Schüler unter anderem Steins Rolle als Philosophin, Frauenrechtlerin und Deutsche.

Edith Stein wurde 1891 als Tochter einer streng jüdischen Familie geboren, verstand sich aber schon früh als Atheistin. Sie sei "auf der Suche nach der Wahrheit" behauptete sie als Jugendliche. Diese Wahrheit suchte sie zunächst als Philosophin, sie promovierte gemeinsam mit dem großen Existenzphilosophen Martin Heidegger, von dessen Philosophie sie sich später aber wieder distanzierte. In einem großen biographischen Bruch wandte sich die promovierte Philosophin dem christlichen Glauben zu und wurde katholische Nonne.

Diese offenen Brüche und Metamorphosen hätten das Leben von Edith Stein geprägt, erklärten die Schüler. Ein Brief stellte ganz offen die Frage: Wie geht das alles zusammen? Wie kann eine Frau so viele Gesichter haben? Denn Edith Stein war auch Frauenrechtlerin und machte sich für die Rechte der Frauen und teilweise auch für die Demokratie stark.

Auch wenn sie als katholische Nonne gelebt hatte, wurde Edith Stein als Jüdin im Vernichtungslager Auschwitz getötet. Aber auch mit ihrem Tod endete ihre Geschichte noch nicht. Stein war die erste jüdische Frau, die vom Papst in Rom 1999 heiliggesprochen wurde. Heute ist Edith Stein die Mitpatronin Europas.

Die Schüler stellten sich auch die Frage, ob diese Heiligsprechung wirklich in ihrem Sinne war. War Edith Stein überhaupt eine Europäerin?

Ja, erklärte eine Schülerin in ihrem Brief. Steins Vision von Frieden in der Welt sei wegweisend für ein modernes friedliches Europa. Edith Stein sei eine Frau gewesen, die immer wieder für Frieden und Menschlichkeit gekämpft habe. Nicht nur deswegen sei sie auch für uns heute ein Vorbild.

Zum Abschluss sang der Chor das bewegende jiddische Lied "Sag nischt kejnmol", das von den Gefangenen des Ghettos von Vilnius 1943 geschrieben wurde. Mit dem Gefühl, etwas Neues gelernt zu haben und zum Nachdenken angeregt worden zu sein, bedankte sich das Publikum mit anhaltendem Applaus.