Nach der Flucht "Willkommen" in Hechingen: Birgit Kruckenberg-Link (Zweite von links) sprach in der Alten Synagoge mit drei Geflüchteten: Bayan Alasfour, Mike Jahateh und Helene Sander (von links). Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Podiumsgespräch: Drei Geflüchtete berichten über ihren Weg nach Hechingen und das Willkommen dort

Schon ein Unterschied, Flüchtlinge in TV-Nachrichten zu sehen oder ihnen gegenüberzusitzen. Der Abend unter dem Motto "Willkommen" in der Alten Synagoge war allein deshalb schon eindrucksvoll.

Hechingen. Mancher empfindet Hechingen als langweilige Provinz, aber dass diese Ereignislosigkeit ein köstlicher Luxus sein kann, das wissen Menschen wie Bayan Alasfour, die als junge Frau bis 2011 in Ost-Ghuta lebte. Der Krieg wird schnell vorbei sein – so brachte sie sich zunächst im Libanon in Sicherheit. Es war der Abschied von ihrer Mutter. "Ich dachte , ich sehe sie ja bald wieder". Auf dieses Wiedersehen wartet sie bis heute. Und in Ost-Ghuta starben mittlerweile zwei Onkel sowie von ihren sechs Cousinen und Cousins.

Es waren solche Lebensgeschichten, die moderiert durch Birgit Kruckenberg-Link, in der gemeinsamen Veranstaltung der VHS und des Arbeitskreis Asyl in der Synagoge hautnah erlebbar machten, was derzeit in der Welt los ist.

Mike Jahatehs Vater wurde in Mauretanien als Sklave gehalten und später dort wohl umgebracht. Seine Fluchtstationen: Gambia, Senegal, Mali, Algerien, Burkina Faso. Vom 16. Lebensjahr an. "Ich habe Jahre lang nie unter einem Dach geschlafen", erzählt er. Immer auf der Suche nach einem Leben, das etwas mehr ist als das nackte Überleben, in dem er etwas zählt als Mensch. Am Ende die Flucht im Schlauchboot über das Mittelmeer und schließlich die Ankunft in Hechingen.

Fühlt man sich da als Flüchtling willkommen? Dank einiger warmherziger Menschen, die hier im Arbeitskreis Asyl organisiert sind, durchaus. Helene Sander beispielsweise. Die Eltern Deutsche in Ostpreußen, von den Russen nach dem Zweiten Weltkrieg in Arbeitslager gesteckt. Endstation ist eine Kohlebergbaustadt in Kasachstan, dort wuchs sie unproblematisch auf.

Russen, Polen, Koreaner, Juden – viele Völker lebten zusammen. Sie studierte, hatte Arbeit. Dann Gorbatschow, die deutsche Wiedervereinigung. Kasachstan wurde selbstständig und entdeckte das Nationalgefühl. "Wir Ausländer waren nicht mehr so willkommen", erzählt sie. Ständig kam der Hinweis, man könnte doch in die "Heimat" übersiedeln. Auch Russen und Polen zogen weg. Die Ausreise nach Deutschland war nur halb freiwillig. "Wir ließen sehr liebe Freunde zurück", berichtet sie traurig.

Am Anfang lebten sie zu dritt in einem kleinen Hotel-Zimmer

Der Start in Hechingen war hart. Zu dritt lebte man in einem Zimmerchen in Hotel Falken. Ohne Sprache keine Arbeit: ein Dilemma. Und dann die Hechingerin, die eines Tages an ihre Türe klopfte und Hilfe beim Deutschlernen anbot – "sie ist der beste Mensch, den ich kenne, eine so liebe Freundin....", dann kommen die Tränen der Rührung hoch. Helena Sander und ihre Familie fanden in Hechingen neue Freunde, eine neue Heimat. Auch weil das Willkommen tatkräftig war.

Auch für Mbyke Jahatch ist Hechingen der Ort, von dem er träumte. An der Alice Salomon-Schule lernte er Deutsch, jetzt macht er eine Kochlehre. "In Hechingen bin ich endlich in Freiheit", sagt er schlicht. Er lernt einen Beruf mit enormen Nachwuchsproblemen, trotzdem soll er nun abgeschoben werden. Ein Anwalt kümmert sich darum.

Bayan Alasfour hat ebenfalls mit Hilfe des Arbeitskreis Asyl in Hechingen Fuß gefasst. Sie macht jetzt ihren Führerschein, hofft, dass sie bald eine Ausbildung in einer Arztpraxis beginnen kann. Im Praktikum dort hat sie bereits einen guten Eindruck hinterlassen. Sie hat zwei kleine Kinder, freut sich, mit ihrer Familie in Hechingen bleiben zu dürfen. Ihr absolut größter Traum ist allerdings, "dass der Krieg in Syrien aufhört, dass dort wieder Friede ist."