Auf große Resonanz stieß am Sonntag die von Jörg Küster geleitete Führung über den jüdischen Friedhof in Hechingen.Foto: Maute Foto: Schwarzwälder Bote

Viele Besucher nehmen an den Führungen am europäischen Tag der jüdischen Kultur teil

Hechingen. Geschichtliche Spurensuche mit einem lebendigen Einblick in Bräuche und Traditionen: Anlässlich des Europäischen Tags der jüdischen Kultur führte Jörg Küster über den jüdischen Friedhof. Das Interesse war enorm. Fast kein Ende wollte er nehmen – der Strom der Menschen, die den Weg zum jüdischen Friedhof in Hechingen beschritten. Der Ort, der von den Juden selbst als "Haus des Lebens" bezeichnet wird, liegt, wie es einst der letzte Hechinger Rabbiner Samuel Mayer so treffend in Worte fasste, "auf einem von drei Seiten von einem dunklen Tannenwäldchen kühl umschatteten Hügel" und zeichnet "ein rührend Bild irdischer Vergänglichkeit, stiller Abgeschiedenheit und sanfter Wehmut."

Eben jener Ort stand an diesem Tag in Hechingen im Zentrum. Um ihn zu besuchen und mehr über seine Geschichte zu erfahren, hatten einige der rund 90 Teilnehmer sogar eine längere Anreise in Kauf genommen.

Die historischen Fakten, die bei einer Führung vermittelt werden, sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist die Kunst, sie in eine lebendige Erzählung zu kleiden. Stadtführer Jörg Küster versteht sich darauf hervorragend. Und als der Strom der Ankommenden dann irgendwann abebbte, legte er los – mit viel Wissenswertem über das "Archiv aus Stein am Rande der Stadt."

Beerdigen durften die Juden ihre Toten in Hechingen einst weitab der Stadt, am sogenannten Galgenrain. Erst 1764 erhielten sie von Fürst Joseph von Hohenzollern-Hechingen die Erlaubnis, das Gräberfeld einzuzäunen. Auf Vermittlung von Madame Kaulla, so ließ der Stadtführer wissen, durfte um das bislang schutzlos daliegende Gelände ein Holzzaun angebracht werden. Um 1800 konnte deren Bruder Jakob dann schließlich erreichen, dass an seiner Stelle eine Mauer errichtet wurde. "Diese Mauer soll heute noch stehen", so Küster.

Aus dem Jahre 1907 stammt die von Friedrich Wilhelm Laur entworfene Friedhofshalle. In ihr befindet sich eine 1955 entstandene Gedenktafel mit den Namen von 22 aus Hechingen verschleppten jüdischen Opfern. Anstoß wird daran genommen, dass die Tafel nicht vollständig ist, was – wie der Stadtführer erklärte – auch der Tatsache geschuldet ist, dass man sich in der Nachkriegszeit mit der geschichtlichen Aufarbeitung schwertat.

Der Friedhof selbst gliedert sich in einen alten und einen neuen Teil. Früher seien alle Grabmale halbrund und aus Sandstein gearbeitet gewesen, später wurden sie vielfältiger und spiegelten den Status der Verstorbenen wider. Das eindrucksvollste der 650 erhaltenen Grabmale ist das der Familie Kaulla, das die Gruppe – neben den Gräbern des letzten Hechinger Rabbiners Samuel Mayer und weiteren bekannten Persönlichkeiten – in Augenschein nahm. Die Hoffaktorin Karoline Kaulla, besser bekannt als Madame Kaulla, galt einst als die reichste Frau Deutschlands und als Wohltäterin.