Karl Dehner, Vorsitzender des Thanheimer Heimatvereins, überreicht dem Referenten, Michael Walther, zum Dank für sein Kommen ein Buch des Heimatvereins. Foto: Wolf Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Historiker berichtet auf Einladung des Heimatvereins / Exakte Zahl der "Schutzhäftlinge" unklar

Thanheims Schulsaal ist bis auf den letzten Platz belegt, als Michael Walther über drei Thanheimer berichtete, die im Konzentrationslager Heuberg gefangen waren. Unter den Anwesenden waren auch Nachfahren.

Bisingen-Thanheim. Am Dienstag hatte der Heimatverein Thanheim zu einem interessanten Vortrag eingeladen: Hierzu war Michael Walther eingeladen worden, um über eine Episode des Lebens dreier Thanheimer zu berichten, die sich ab September 1933 abgespielt hat.

Opposition ausschalten

Anfang März 1933 begann die systematische Ausschaltung der politischen Opposition. Das Ziel war zunächst, vor allem die Arbeiterbewegung, ihre Parteien, den diesen nahestehenden Gewerkschaften sowie Arbeitervereine und Wohlfahrtsverbände auszuschalten.

Auch in den Städten und Gemeinden Hohenzollerns und des benachbarten württembergischen Oberamts Balingen wurden Personen, die Nationalsozialisten als Oppositionelle betrachteten, oftmals bei Nacht aus ihren Betten geholt oder an der Arbeitsstelle verhaftet.

Weniger "Schutzhäftlinge"

Im katholischen Hohenzollern kam es allerdings in weitaus geringerem Ausmaß zu Verhaftungen als im benachbarten württembergischen Oberamt Balingen. In diesem Zusammenhang konnte er bei Besuchen im Hechinger Stadtarchiv und Staatsarchiv Sigmaringen bisher nur etwa 50 sogenannte "Schutzhäftlinge" bei 72 000 Einwohnern in Hohenzollern identifizieren.

Die genaue Zahl von "Schutzhäftlingen" werde jedoch nie vollständig zu ermitteln sein. Zum Vergleich: Für das benachbarte Balinger Oberamt sind bei deutlich weniger Einwohnern, nämlich 50 000, 150 KZ-Häftlinge dokumentiert.

Verhaftungsaktion

Die Verhaftungsaktion von sechs Personen aus Thanheim und Steinhofen am 12. September 1933 hatte allerdings nichts mit den Verhaftungen im Frühjahr und Sommer desselben Jahres zu tun, als es um die Ausschaltung der politischen Opposition gegangen war. In beiden Fällen führten örtliche Auseinandersetzungen mit Stützpunktleitern der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) zu den Verhaftungen und Überstellungen ins Konzentrationslager auf den Heuberg.

Am gleichen Tag fuhren gegen 19 Uhr etwa 40 SA-Männer aus Hechingen und Haigerloch, unter der Führung von SA-Sturmbannführer Vinzenz Stehle aus Bittelbronn vor dem Thanheimer Rathaus vor. Von dort aus wurden drei Thanheimer verhaftet.

Es geht nach Stetten a.k.M.

Es handelte sich um den 46-jährigen Fabrikanten und Lokalpolitiker Anton Gsell, den 39-jährigen Kaufmann Andreas Dehner und den zwölf Jahre jüngeren Facharbeiter Gustav Endreß. Nach einem kurzen Stopp in Steinhofen, wo die Gastwirte Julius Klink und Andreas Fischer sowie der Landwirt Johann Fecker verhaftet wurden, ging die Fahrt in einem Lastwagen weiter nach Stetten a.k.M. ins dortige Konzentrationslager, wo die Gefangenen und ihre Bewacher gegen 21 Uhr ankamen. Hierzu findet sich im Staatsarchiv in Sigmaringen eine umfangreiche Akte.

Das "Lager Heuberg"

Michael Walther ging detailliert auf die Lebensgeschichten der drei Thanheimer und das ehemalige Konzentrationslager ein: Das sogenannte "Lager Heuberg" war 1914 als Kaserne des gleichnamigen Truppenübungsplatzes eröffnet worden. Es handelte sich um mehr als 70 Steingebäude, Straßen und Wege. In den 1920er-Jahren waren in den Häusern ein Kindererholungsheim und zeitweise auch eine Kinderheilstätte und eine Haushaltsschule für Kriegswaisen untergebracht. Die noch verbliebenen Einrichtungen wurden Anfang 1933 aufgelöst.

Eines der ersten Lager

Am 20. März 1933 wurde auf dem Lagergelände eines der ersten deutschen Konzentrationslager eingerichtet, das bis Ende desselben Jahres bestehen sollte. Ab 1934 erfüllte das Lager dann wieder seinen ursprünglichen Zweck als Kaserne. Danach berichtete Michael Walther über die Schikanen und Misshandlungen, die im Lager auf die Verhafteten warteten. Dank guter Verbindungen wurden die Häftlinge am 13. September wieder entlassen.

Michael Walther studierte Politische Wissenschaft, Mittelalterliche und neuere Geschichte und Soziologie an der Universität Heidelberg. Im Anschluss promovierte er an der Universität Tübingen. Er ist der stellvertretende Vorsitzende der Heimatkundlichen Vereinigung Zollernalb und Gründungsmitglied des Arbeitskreis "Wüste" Balingen.