Vortrag mit Rolf Verleger wegen Protesten jüdischer Verbände abgesagt. Veranstaltung findet nun in Villa Eugenia statt. Mit Kommentar.
Hechingen - Skandal im Synagogenverein: Weil auf Druck jüdischer und israelischer Verbände ein israel-kritischer Vortrag in der Alten Synagoge abgesagt wurde, ist der Beirat des Vereins geschlossen zurückgetreten. Der Vortrag findet nun in der Villa Eugenia statt.
Am Dienstag, 24. März, wollte der Lübecker Psychologie-Professor Rolf Verleger in der Alten Synagoge Ergebnisse einer wissenschaftlichen Umfrage vorstellen in der es darum geht, ob Kritik an der israelischen Siedlungspolitik oder an den Gaza-Feldzügen Rückschlüsse auf unterschwelligen oder offenen Antisemitismus zulassen. Dem Vernehmen nach soll die Studie zum Ergebnis kommen, dass dies nicht so ist. Der Vortrag findet nun am Dienstag, 24. März, von 20 Uhr an in der Villa Eugenia statt. Verleger entstammt einer jüdischen Familie, aber er ist dafür bekannt, dass er die Palästinenser-Politik Israels scharf kritisiert. Er war zwar von 2005 bis 2009 Mitglied im Zentralrat der Juden, als Autor des Buches "Israels Irrweg. Eine jüdische Sicht" wurde er später von jüdischen und israelischen Verbänden hart kritisiert. Nach eigenen Angaben setzt sich Verleger für einen "gerechten Frieden in Nahost" ein.
Der Vortrag war in das Halbjahresprogramm des Vereins Initiative Alte Synagoge Hechingen aufgenommen worden auf Empfehlung des Vereins-Beirats, dem unter anderem der emeritierte Historiker Paul Münch angehört. Gegen diesen Vortrag protestierten dann unter anderem die Deutsch-Israelische Gesellschaft und die Jüdische Gesellschaft in Stuttgart vehement, berichtet Lothar Vees, Vorsitzender des Vereins Alte Synagoge.
Der Beirat habe es dann leider abgelehnt, ein Gesprächsangebot der jüdischen Gemeinde wahrzunehmen, bedauert Vees. Der Vorstand sei hingefahren und habe sich überzeugen lassen, den Vortrag abzusagen. Beigetragen hätten dazu auch aktuelle Vorgänge wie der Anschlag auf eine Synagoge in Kopenhagen und die Feststellung, dass Juden, die eine Kippa tragen, öffentlich zunehmend angefeindet würden.
Als Reaktion darauf hat der Beirat geschlossen mit dem Rücktritt reagiert, eine eigene Initiative gegründet und mit der Villa Eugenia einen Ersatzveranstaltungsort gefunden. Paul Münch begründet dies in einem Schreiben: "Weil 77 Jahre nach Schändung der Hechinger Synagoge einem jüdischen Deutschen, der mehrere Familienmitglieder im Holocaust verloren hat, nur unter Missachtung des Grundrechts der Meinungsfreiheit ein Rederecht verweigert werden kann, ist eine private Initiative aktiv geworden. Es darf nicht sein, dass man in Hechingen mit seiner reichen jüdischen Geschichte, die ihre Industrialisierung im 19. Jahrhundert maßgeblich einheimischen jüdischen Unternehmern verdankt, einen deutschen Juden, der sich für eine Versöhnung von Israelis und Palästinensern einsetzt, nicht zu Wort kommen lässt."
Vees bedauert den Rücktritt des Synagogen-Beirats ausdrücklich. Er betont aber, dass es nicht "Druck" der jüdischen und israelischen Verbände gewesen sei, die den Vorstand zur Absage der Veranstaltung gedrängt hätten. Rolf Verleger habe sich durch viele Meinungsäußerungen als Person erwiesen, die sehr provokative Thesen zum Staat Israel vertrete. "Ob die Alte Synagoge als Gedenkstätte mit ihrem speziellen historischen Kontext hier der richtige Platz ist, ihm ein Forum zu bieten, daran hatten wir großen Zweifel."
Vees verweist auch darauf, dass bei der Erstellung des Programms geplant war, eine Podiumsdiskussion zwischen Rolf Verleger und einer Person, die eine andere politische Position vertrete, geplant. "Es hat sich dann aber wohl niemand gefunden, der mit Herrn Verleger diskutieren wollte", so Vees. Und unter diesen Gesichtspunkten habe man schließlich die Veranstaltung abgesagt.
Im Januar hat sich aus der "Initiative Hechinger Synagoge", die sich vor allem um die Sanierung des historischen Gebäudes kümmerte, sowie dem "Verein Alte Synagoge", der für das Veranstaltungsprogramm verantwortlich zeichnete, ein Trägerverein unter dem Namen "Initiative Alte Synagoge Hechingen" gebildet. Den Vorstand bilden als Doppelspitze Lothar Vees und Norbert Kirchmann sowie als Kassierer Wilfried Schenkel. Den Beirat, der nun zurückgetreten ist, bildeten Elke Dannenhaus, Dieter Ilg, Paul Münch und Christiane Wünnenberg.
Kommentar: Falscher Ort
Klaus Stopper
Die Idee des neuen Vorstands und Beirats des Synagogenvereins, in seiner Arbeit nicht mehr nur den Holocaust in den Mittelpunkt zu stellen, sondern das Thema Verfolgung und Massenmord bis hin zur Gegenwart grundsätzlich zu thematisieren, hat Schiffbruch erlitten. Im ersten Vortrag, der den Völkermord an den Armeniern thematisierte, funktionierte das Konzept noch.
Nun sollten hier aber Thesen diskutiert werden, die sich vehement kritisch mit der Politik Israels den Palästinensern gegenüber auseinandersetzen. Diese Diskussion darf man innerhalb allgemeiner Grenzen der Meinungsfreiheit führen, aber sie muss nicht in einer Synagoge stattfinden, die in erster Linie eine Gedenkstätte an die beispiellose Vernichtung der europäischen Juden ist. Das gebietet die Pietät. Deshalb ist das Ausweichen auf die Villa Eugenia die richtige Entscheidung.