Nach den Grabschändungen auf dem jüdischen Friedhof in Hechingen ermittelt mittlerweile die Kripo. Foto: (nil)

Materieller Schaden ist gering. Landesrabbiner und Bürgermeister von Tat erschüttert. Waren es Nazis? Mit Video

Hechingen - Ob es Nazis waren oder sonstige hirnlose Halbstarke, die auf dem jüdischen Friedhof in Hechingen Steine umgeworfen haben, ist noch unklar. Beim Ortstermin am Donnerstag wurde  klar, dass der materielle Schaden gering ist.

Dieser Friedhof ist ein Platz, der eigenartige Ruhe ausstrahlt. Viele Steine sind hier stark verwittert. Viele stehen so schief, dass sie bald umkippen müssen. Manche liegen bereits auf dem Boden, von Moos überwuchert. Ein Ort, der in seiner besonderen Art an die Vergänglichkeit des Lebens mahnt.

Unter anderem Landesrabbiner Netanel Wurmser, Hechingens Polizeichef Wolfgang Heller, Bürgermeister Philipp Hahn, Stadtbaumeisterin Helga Monauni und Iris Fromm-Kaupp vom Denkmalamt versammelten sich am Donnerstag vor dem Friedhof, um sich den Schaden anzuschauen, den bislang unbekannte Täter in der Nacht von Freitag auf Samstag angerichtet haben.

Wer die Täter waren? Zuständig sei er nicht, weil die Kriminalpolizei bei dieser Art von Taten routinemäßig die Ermittlungen übernehme, erklärte Wolfgang Heller, aber in allgemeiner Form gab er einige Informationen. Demnach gibt es derzeit keine Hinweise auf rechtsextremistische Motive für die Tat. Die Ausführung wirke sonderbar und untypisch. Auszuschließen sei aber natürlich nichts.

Das hat der Landesrabbiner zur Tat gesagt:

Auf Nachfrage sagte er zudem, dass es speziell in Hechingen keine rechtsextreme Szene gebe, dass das Phänomen aber in der Region durchaus präsent sei. Jedenfalls wurden in einer nächtlichen Aktion ein Grabstein umgeworfen, der Sandstein erhielt dadurch einen Riss. Ein anderer, kleiner Grabstein, wurde abgebrochen. Ein Stück, das etwa 30 Kilo schwer war, wurde über die Mauer geworfen. Diese Zerstörungen seien ein Werk von "besonderer Erbärmlichkeit", nahm Bürgermeister Philipp Hahn im Namen der Stadt Stellung. Diese "erschüttert mich".

Landesrabbiner Netanel Wurmser wirkte äußerlich gefasst und doch tief betroffen. Schändungen jüdischer Einrichtungen kämen leider auch Jahrzehnte nach dem Holocaust noch regelmäßig vor, berichtet er traurig. Zum abgebrochenen Grabstein meinte er: "Hauptsache, er kommt schnell wieder auf den Friedhof", das sei für Juden sehr wichtig. Vor Ort und unbürokratisch wurde mit der Denkmalamt-Expertin besprochen, dass der Stein von Fachleuten wieder zusannengeklebt wird.

Wurmser interessierte sich auch sehr für den Stand der aktuellen Sanierungsarbeiten an der Umfassungsmauer des Friedhofs. Ein Projekt, das noch unter Bürgermeisterin Dorothea Bachmann angestoßen wurde. Kosten: Eine halbe Million Euro, von denen das Denkmalamt 400.000 Euro bezahlt.

Für ihn sei es sehr wichtig, dass die Mauer oberhalb des Hangs so gesichert werde, dass die Gräber nicht durch Rutschungen oder stürzende Mauerteile zerstört werden könnten, erklärte er. Der zuständige Architekt sicherte das zu.

Baustelle wird der Friedhof noch einige Zeit bleiben. Denn auch das Tharahaus ist sehr baufällig, wie Stadtbaumeisterin Helga Monauni vor Ort erklärte. Es drohe hier Einsturzgefahr. Eine Sanierung ist wohl unumgänglich. Offen ist dagegen die Frage, wie mit den Grabsteinen umzugehen ist. Sollen sie dem Verfall überlassen werden, sollen natürlich umgestürzte Steine liegen gelassen werden? Netanel Wurmser gab sich pragmatisch. Wichtig sei erstmal die Mauer, meinte er, "dann sehen wir weiter."