Ein 53-jähriger Kriminaloberkommissar bestätigte auf Nachfrage des Richters seinen Eindruck: Weder die Stadt als Inhaberin der Deponie noch das Landratsamt als Kontrollbehörde haben genau hingeschaut. Foto: Rath

Zweiter Verhandlungstag im Prozess um illegale Bauschutt-Ablagerungen. Stadt und Landratsamt sollen weggeschaut haben.

Hechingen - Die Stadtverwaltung steckte möglicherweise dick mit drin in den dubiosen Vorgängen auf der Hechinger Erddeponie. Im Prozess gegen den früheren Deponiebetreiber belastete ein Kripo-Beamter unter anderem auch den ehemaligen Ersten Beigeordneten der Stadt, Klaus Conzelmann.

Es war gestern der zweite Verhandlungstagstag vor der Großen Strafkammer des Landgerichtes. Auf der Anklagebank saßen zwar nur ein 48-jähriger Hechinger Bauunternehmer und sein Deponiewart. Ihnen wird illegale Bauschuttablagerung vorgeworfen (wir berichteten). Aber der Kreis jener, denen es vor den Ergebnissen dieses Landgerichtsprozesses Angst und Bange werden dürfte, weitete sich bereits deutlich aus.

So fragen sich die Anwälte der Angeklagten, ob die Ermittlungsbehörden eine Schonhaltung gegenüber dem öffentlichen Dienst eingenommen haben könnten. Am Bauunternehmer werde ein Exempel statuiert, während bei Mitarbeitern der Stadt und des Landratsamtes, gegen die ebenfalls ermittelt wurde, alle Verfahren eingestellt wurden. Staatsanwalt Michael Pfohl trat dem entschieden entgegen: Es sei gegen 17 Personen ermittelt worden, einige Verfahren wurden abgelöst und vor anderen Gerichten, wie etwa dem Amtsgericht Albstadt, verhandelt. Gegen weitere Beschuldigte seien Strafbefehle ergangen.

Gestern wurden in diesem Zusammenhang fünf Kripobeamte als Zeugen angehört. Dabei ging es Richter Herbert Anderer sowie den im zur Seite gestellten zwei Berufs- und drei Laienrichtern um die Frage, wie das Verfahren zustande kam und welche Schlüsse die Polizei aus ihren Ermittlungen in den Jahren 2004 bis 2009 zog. Er ließ keinen Zweifel daran, dass das Verfahren jederzeit auf weitere Personen ausgeweitet werden kann. Und er versprach "ganz genau hinzusehen".

In Schließfach befinden sich eine halbe Million Euro

Bereits der erste Kripobeamte im Zeugenstand belastete die Mitarbeiter der Stadt und des Landratsamtes. Gesetzlich vorgeschriebene Kontrollen der Deponie seien vorher angekündigt worden. Obwohl Probebohrungen kritische Werte ergaben, sei nicht reagiert worden. Städtischen Mitarbeitern, die mit der Kripo kooperieren wollten, sei dies von oberster Stelle untersagt worden.

Namentlich nannte der Polizist den ehemaligen Ersten Beigeordneten der Stadt, Klaus Conzelmann. Als Folge seien einem Umwelttechniker in Diensten der Stadt, der mit der Polizei zusammenarbeiten wollte, Zulagen gestrichen worden und sein Arbeitsplan sei in für ihn negativer Weise verändert worden. Diese Vorfälle seien derzeit Gegenstand eines Prozesses zwischen der Stadt Hechingen und dem Mitarbeiter vor dem Reutlinger Arbeitsgericht.

Der 53 Jahre alte Kriminaloberkommissar bestätigte auf Nachfrage des Richters ganz klar seinen Eindruck: Weder die Stadt als Inhaberin der Deponie noch das Landratsamt als Kontrollbehörde hätten genau hinschauen oder bedenkliche Zustände auf der Deponie ändern wollen. Das Wegschauen sei "common sense" gewesen. Bereits bei der Vergabe der Stadt Hechingen an den privaten Deponiebetreiber sei es zu Unregelmäßigkeiten gekommen, so der Kripobeamte.

Er berichtete auch von den Durchsuchungen in der Firma, dem Privathaus, dem Wagen und dem Bankschließfach des Angeklagten. Im Schließfach stellte die Polizei eine halbe Million Euro sicher.

Kritisch durchleuchtete Richter Anderer auch die Berechnungen der Kripo, die aus einzelnen Funden eine bestimmte Menge Bauschutt hochgerechnet hatte, der ihrer Ansicht nach illegal auf der Deponie abgeladen wurde. Sein Eindruck: Die Mengen seien zwar möglich, das Ergebnis aber keinesfalls "zwingend richtig". Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt.