Karrierist ohne Prinzipien? Vorwurf an Paul Schmitthenner als "Nazi-Architekt" ist nicht ohne Grundlage. Mit Kommentar.
Hechingen - War Paul Schmitthenner ein "Nazi-Architekt"? SPD-Gemeinderat Jürgen Fischer hat ihn im Hechinger Gemeinderat so bezeichnet. Ein hartes Urteil, aber einige Fakten sprechen für Fischers Sicht.
So hielt Schmitthenner, der in jener Zeit einer der namhaftesten deutschen Architekten war, 1932 Vorträge vor dem "NS-Kampfbund für deutsche Kultur", und er unterzeichnete einen Wahlaufruf für die Nationalsozialisten. 1933 trat er in die NSDAP ein. Die Freundschaft zu einem Juden, der aus dem Amt vertrieben wurde, zerbrach.
Geschildert wird die Biografie des Architekten im Katalog "Paul Schmitthenner 1884 – 1972", der vom Ernst-Wasmuth-Verlag im Jahr 2003 aus Anlass einer Ausstellung im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt erschien. Das Bild eines eifernden Nazis gewinnt dort zwar keine Konturen, dafür aber das eines ehrgeizigen Architekten ohne politische Prinzipien, der mit dem Dritten Reich Karriereträume verband, die dann aus rein baufachlichen Gründen enttäuscht wurden. Dass er sich politisch mit dem System überworfen hätte, lässt sich nicht belegen.
Schmitthenners Sympathie für den aufkommenden Nationalsozialismus mag aus seinem zentralen architektonischen Traum verständlich sein: den Gartenstädten. Schön angelegte Wohngebiete für Arbeiterschichten, eine Idee, die den zu Beginn noch sozialrevolutionären Nazis gefallen konnten. Dass Schmitthenner als Professor an der TH Stuttgart als Gegner eines ultra-modernen Baustils galt, lag auch auf Parteilinie.
Seine Hoffnung auf Karriere nach der Machtergreifung erfüllten sich nicht. Die in Aussicht gestellte Professur in Berlin blieb ein Traum. Ein Desaster wurde sein Entwurf für die Weltausstellung 1934 in Brüssel. Adolf Hitler persönlich lehnte seinen Plan für den deutschen Pavillon ab, weil er ihn zu schlicht fand. So etwas sprach sich herum. Schmitthenner erhielt vier Jahre lang keine öffentlichen Aufträge mehr.
War es Eifersucht, war es Überzeugung? In den Folgejahren kritisierte er mehrfach öffentlich Albert Speer, Hitlers Lieblings-Architekt, der nicht nur die Nazi-Monumentalbauten plante, sondern im Krieg die deutsche Rüstungsindustrie organisierte. In dem Streit ging es aber nur um Architektur, da waren die Nazis offenbar tolerant. Ein Speer-kritischer Vortrag, den Schmitthenner 1937 in Paris hielt, hatte keine Folgen.
1943 soll Schmitthenner sich eingesetzt haben, dass Todesurteile gegen "Widerständler" im Elsass nicht vollstreckt wurden, aber nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes 1945 wurde er trotzdem auf Anordnung der Amerikaner als Professor in Stuttgart entlassen. Er saß sechs Wochen in Haft – das aber nur, weil er mit einem gleichnamigen NS-Minister verwechselt worden war.
Die Scham über Nazi-Verstrickungen währte nur kurz. 1947 hatte Schmitthenner eine Professur in Aussicht. Wohl etwas zu früh. Eine "Pressekampagne" habe die Berufung vereitelt, wird berichtet. Drei Jahre später war das kein Thema mehr. Er erhielt eine Pension vom Staat und Ehrungen. 1958 baute Schmitthenner das Hechinger Rathaus. Die Architekturzeitschriften ignorierten den Bau damals. Die moderne Architektur folgte längst Vorbildern, die Schmitthenner bekämpft hatte.
Kommentar: Kein Denkmal
Klaus Stopper
Ob Paul Schmitthenner ein echter Nazi war, ist eigentlich egal. Niemand erhebt den Vorwurf, dass das Hechinger Rathaus bräunliche Spuren in sich trägt. Es gefällt sogar den meisten Hechingern. Wichtig wurde der Nazi-Vorwurf nur dadurch, dass das Denkmalamt offensichtlich vorhat, dieses Gebäude in höchste Schutz-Sphären zu erheben, die jede Veränderung für alle Zeiten verbieten würden.
Dabei war der Architekturstil des Gebäudes im Entstehungsjahr 1958 längst veraltet. Der Verdacht keimt auf, dass hier eher dem einst geschätzten Architekt ein Denkmal gesetzt werden soll. In vielen Leserbriefen zu den Kaufhausplänen für das Rathaus wurde völlig richtig darauf hingewiesen, dass das Rathaus Symbol der bürgerlichen Selbsbestimmung ist. Deshalb muss auch der Gemeinderat über die Zukunft dieses Gebäudes entscheiden dürfen, und nicht das Denkmalamt.