Zum Vortrag mit Bart kamen einige Männer mit aufwendig frisierten Bärten. Foto: Rapthel-Kieser Foto: Schwarzwälder Bote

Vortrag: Wie Hoffriseur François Haby den Kaiser-Wilhelm-Aufsteiger erfand und ihn für seine Karriere nutzte

Es war ein Geschichts-Vortrag, in dem auch gelacht werden durfte. Denn das Thema war haarig. Es ging um die erstaunliche Karriere von François Haby, Hoffriseur und Barbier von Kaiser Wilhelm II. Und damit ging es um des Kaisers Bart. Der Kunsthistoriker und Autor Ulrich Feldhahn referierte dazu in der Villa Eugenia.

Hechingen. Und nicht nur heutzutage gibt die in W-Form nach oben gezwirbelte, mit dem Spitznamen "Es ist erreicht"-versehene Gesichtsfrisur zum Schmunzeln Anlass. Schon seinerzeit, zwischen 1890 und 1918, beschäftigten sich Satire-Magazine wie der "Simplicissimus", "Kladderadatsch" oder "Der Wahre Jakob" mit des Kaisers unverkennbarem Bart – und der erstaunlichen Karriere seines Hoffriseurs.

Denn der hatte nicht nur ein ausgesprochenes Frisiertalent. "Donnerwetter, Tadellos !", soll seine Majestät gerufen haben, nachdem in Haby das erste Mal frisiert hatte. Haby wurde in den Stand des Hoffriseurs erhoben und erwies sich auch als Meister der Vermarktung und des – heute würden wir sagen – Merchandising.

Werbeanzeigen wurden mit einer Krone versehen

Der Spross einer Hugenottenfamilie kam von Danzig über Königsberg Ende der 1880er Jahre schließlich nach Berlin. Dass sich seine Majestät von ihm frisieren und den Bart richten ließ, wusste er bald werbewirksam auszuschlachten. Seine Werbeanzeigen in Zeitungen ließ er bald mit einer Krone versehen. Und er kreierte und verkaufte Bartbinden, Rasierseifen und Cremes, Wässerchen und Düfte, die er aggressiv bewarb.

Seine Rasiercreme nannte er "Wach auf", die Bartbinde "Donnerwetter Tadellos" und das Bartwasser "Es ist erreicht". So warb er in einer Anzeige mit den Worten: "Seine Majestät der Kaiser sowie Könige, Prinzen, Fürsten und Kavaliere benutzen ›Wach auf‹, das hygienische Rasiermittel".

Dies rief alsbald auch Neider auf den Plan. Die Zunft der Barbiere entrüstete sich über unlauteren Wettbewerb, darüber, dass François Haby seine Beziehungen zum Hofe zu "allerlei geschäftlichen Manipulationen ausnutze und insbesondere den Kaiser als Reklameobjekt in Anspruch nimmt".

Habys Stellung bei Hofe konnte das nichts anhaben. Er begleitete den Kaiser auf vielen Reisen, war in Konstantinopel oder auf Korfu mit dabei und eröffnete im angesagten und luxuriösen Dom-Hotel in der Mittelstraße einen Friseursalon, den er 1901 vom belgischen Architekten und Designer Henry van de Velde aufwendig umbauen ließ.

Der neue Salon war hochmodern: grüne Marmorwaschbecken, dunkelrotes Mahagonifurnier, ein violetter Wandfries, fließend Wasser und Gaslicht. Dabei blieben die Wasser- und Gasrohre unverkleidet, waren ein frühes, mutiges Statement zur Ästhetik der Technik. Der Fall François Habys kam, nachdem er auf der Rückreise aus Spa 1918 das Zugabteil mit einem Angehörigen des Militärs geteilt hatte. Der fertigte ein Protokoll über das Gespräch mit dem berühmten Barbier und Haby schnitt dabei alles andere als gut ab.

Er hatte sich kritisch zum Ersten Weltkrieg geäußert, den Sieg angezweifelt und sich sogar zu dem Kommentar verstiegen, dass, da er so oft von Berlin und seinem Salon abwesend sein musste, der Kaiser ihn bereits "ein Vermögen gekostet" habe. Habys Karriere war jäh beendet, mit dem Ersten Weltkrieg auch die Ära der Kaiserzeit und des berühmten Bartes.

Der ist aber bei Hipstern wieder im Kommen, belegte der Historiker Feldhahn mit Fotos aus der Neuzeit. Bester Beleg: Im Publikum waren zahlreiche Mitglieder des Schömberger Bartclubs anwesend und stellten sich anschließend mit Feldhahn zum Gruppenfoto auf.