Das Baugerüst beim Unteren Tor fällt ins Auge: Tina Ziegler und Kerstin Böhm sanieren das alte Haus derzeit. Dort wollen sie im Sommer als Wohngemeinschaft einziehen.Fotos: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Staig: Tina Ziegler und Kerstin Böhm renovieren Altstadthaus

Im Alter von "plusminus 60" nochmal eine Wohngemeinschaft gründen? Dazu ein schönes, altes Haus an der Staig liebevoll renovieren, um dort Träume zu verwirklichen? Tina Ziegler und Kerstin Böhm machen das gerade. Und sie lieben Hechingen und ihr neues Heim bereits.

Hechingen. Das Baugerüst beim Unteren Tor fällt ins Auge. Zuletzt hatte hier mehrere Jahre der Künstler Dietmar Schönherr sein Atelier, dann stand es länger leer. Ein schönes Haus, die Fassade mit ihren blau lackierten Holzelementen fällt ins Auge, der große Ladenraum im Erdgeschoss wird von einer gusseisernen Säule in der Mitte getragen und geschmückt. Eines der Häuser, die der Hechinger Altstadt Seele einhauchen.

Lange stand es zum Verkauf. Bis vergangenes Jahr Tina Ziegler und Kerstin Böhm kamen, sich spontan in das Haus verliebten und sich schnell einig wurden: Das ist der richtige Platz für ihren ganz eigenen Traum vom Leben, der sie schon seit Jahren erfüllt. Ein Traum, der mit Nachhaltigkeit zu tun hat, mit dem Wunsch nach Zusammenleben auf der Basis ähnlicher Lebensentwürfe, buchstäblich auf Wohngemeinschaft, auf das Erkunden von Ideen für ein schönes Leben.

Ihr Alter nennen sie mit "plusminus 60". Ziegler ist in Hechingen aufgewachsen, hat aber lange in Stuttgart gelebt. Böhm kommt aus Balingen. Und beide sind sich einig, dass sie ihren nächsten Lebensabschnitt gern in einer Wohngemeinschaft verbringen wollen. Beim Mehrgenerationenhaus-Projekt in Balingen lernten sie sich kennen. "Da sind sehr viele Leute beteiligt, und das wird noch Jahre dauern", erzählen sie, warum sie das nicht weiterverfolgen. In Hechingen starten sie nun ihr eigenes Projekt. Ein weiterer Vorteil einer Wohngemeinschaft: "Alleine hätten wir uns das Haus und die Renovierung nicht leisten können, zu zweit geht es", sagen sie.

Gasheizung eingebaut und Dach mit einer Solaranlage versehen

Die Renovierung des Hauses gehen sie grundsolide an – Gasheizung einbauen, das Dach wird erneuert und erhält eine Solaranlage samt Energiespeicher, faule Balken werden fachgerecht erneuert, die Räume von Grund auf saniert. Alles mit heimischen Handwerkern – das ist ihnen wichtig. Die Räume bieten Platz für eigene Bereiche für die beiden und eine Gemeinschaftsküche, von der der Blick unglaublich weit in Richtung Alb schweift. Wunderschön.

Oben gibt es weitere Räume. Ob und der wer da mal noch einzieht, das lassen die beiden auf sich zukommen. Es gibt auch Enkel, Freunde, Verwandte, die sich auch schon auf Besuche freuen. Auf sich zukommen lassen sie auch, was sie mit dem ehemaligen Ladengeschäft im Erdgeschoss genau machen wollen. Es ist ein toller Raum, der Blick aus dem Schaufenster fällt auf den historischen Torbogen und den Schloßplatz. 15 Leute können hier gemütlich zusammen sitzen. Man kann hier tanzen – ein Hobby der beiden – man kann hier auch Fahrräder reparieren. Und vielleicht wird all dies hier auch passieren. Oder was anderes. Und wenn dieser Raum nicht reicht, gibt es noch einen fantastischen Keller samt Naturgewölbe.

Auf jeden Fall wollen sie im Ladenlokal nichts Kommerzielles anfangen, da sind sie sich einig. Aber Tina Ziegler malt, Kerstin Böhm arbeitet mit Holz, beide mögen es, alte Sachen wieder instand zu setzen oder irgendwas Interessantes draus zu machen, beide finden ökologisches Denken wichtig. Im Sommer werden sie einziehen, "und dann schauen wir einfach mal, was sich da ergibt", sagen sie. Eile haben sie nicht. Nur Neugier darauf, was möglich ist.

Und beide lieben mittlerweile die Staig, diesen besonderen Standort in der Stadt, den viele immer als Problemfall sehen. Böhm schwärmt schon für Hechingen auf dem Wochenmarkt, im Starzelpark oder in der Eisdiele an der Johannesbrücke, das Fecker ist um die Ecke. An der Staig ist es ruhig, und doch sind – allen Unkenrufen zum Trotz – immer Leute unterwegs. "Man schaut hier einfach gern aus dem Fenster", sagt Ziegler. Beide verstehen gar nicht, warum hier rings um sie herum so viele Gebäude von ihren Eigentümern lieblos dem Verfall preisgegeben werden.

Vielleicht, so denkt sie, macht ihr Beispiel Schule und andere entdecken auch den Reiz, der darin liegen kann, so ein Altstadthaus mit Fantasie und Liebe wieder herzurichten und mit neuem Leben zu erfüllen. Beide sind sich einig, dass sich so ein Projekt lohnen kann.