Der Hechinger Gemeinderat hat corona-konform unter Einhaltung der Distanzregeln in der Stadthalle getagt. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Gemeinderat: Ortsvorsteher könnten Stimmrecht erhalten / Neue Vorschläge sollen in Ortsgremien noch mal diskutiert werden

Vermittlungsausschuss? Stimmrecht für Ortsvorsteher im Gemeinderat? Neue Aspekte, die am Donnerstag im Hechinger Gemeinderat zum Thema "unechte Teilortswahl" vorgebracht wurden. Nun sollen sie in den Ortschaftsräte diskutiert werden. Eine Entscheidung ist im Herbst möglich.

Hechingen. Was gegen die unechte Teilortswahl spricht? Sie verkompliziert die Kandidatenaufstellung und die Gemeinderatswahl selbst, führt aktuell zu einer Aufblähung des Gremiums und hat nach Ansicht einiger Gemeinderäte keinerlei Nutzen. Befürworter der unechten Teilortswahl sehen gerade den letzten Punkt ganz anders. Für sie sichert nur die Garantie, dass mindestens ein Ortschaftseinwohner im Gemeinderat vertreten ist, dass Ortschaftsinteressen gehört und berücksichtigt werden im Gremium.

Außer Weilheim haben alle Ortschaftsräte für die Beibehaltung der unechtenTeilortswahl gestimmt. Die Kernstadt hat kein eigenes Gremium, die Stimmung ist hier schwer zu ergründen, aber man kann davon ausgehen, dass hier einigen das Thema herzlich egal ist, viele finden wohl auch, dass Ortsteilbewohner keine Sonderrechte für die Kommunalwahl brauchen.

Stimmrecht für die Ortsvorsteher im Gemeinderat?

Was tun? So lautete nun die Frage am Donnerstag im Gemeinderat. Abzustimmen war über den Vorschlag, die unechte Teilortswahl abzuschaffen, dafür aber einen Vermittlungsausschuss einzurichten, der bei Meinungsverschiedenheiten mit Ortschaften eingeschaltet wird. Zudem würde die Sitzzahl im Gemeinderat auf 26 Räte begrenzt. Der Vorschlag zum Vermittlungsausschuss war von Beurens Ortsvorsteher Peter Gantner gekommen.

Allerdings wurde darüber dann nicht mehr abgestimmt, weil ein weiterer Vorschlag auftauchte, der für viele zumindest eine Diskussion wert zu sein scheint. Dieser Vorschlag stammt von Harald Kleindienst, dem Ortsvorsteher von Stein, und sieht vor, dass künftig jeder Ortsvorsteher im Gemeinderat ein Stimmrecht haben soll.

Das sei pauschal rechtlich wohl nicht möglich, meinte dazu Bürgermeister Philipp Hahn, denn Ortsvorsteher seien nur vom Ortschaftsrat gewählt, also für allgemeine Gemeinderatsthemen gar nicht legitimiert. Möglich aber könnte es sein, dass Ortsvorsteher ein Stimmrecht bei jenen Themen im Gemeinderat erhalten, die ihre Ortschaft angeht. Denn diese Interessen zu vertreten, dafür seien sie ja gewählt worden.

Am Ende wurde beschlossen, dass sowohl Stimmrecht für Ortsvorsteher als auch Vermittlungsausschuss neue Aspekte sind, die nochmals in den Ortschaften diskutiert werden sollen. Das könnte noch vor der Sommerpause passieren. Im Herbst könnte abgestimmt werden.

Debatte vor der Abstimmung verläuft sehr lebhaft

Vor der Abstimmung entspann sich allerdings eine lebhafte Diskussion.

  Der Bunten-Rat Hannes Reis machte den Auftakt und brachte Argumente vor, die später mehrfach gelobt wurden. Er sei für die Abschaffung der unechten Teilortswahl, so Reis, weil ihm einfach kein Beispiel einfalle, wo diese Einrichtung, die er als "Stützräder" der Ortschaftsbeteiligung bezeichnete, jemals eine kommunalpolitische Entscheidung beeinflusst habe. Für die Ortschaften seien ihre Geschichte und ihr enges soziales Zusammenhalten wichtig, nicht die unechte Teilortswahl.

  Ingrid Riester (CDU), langjährige Ortsvorsteherin von Weilheim, sah das völlig anders. Sieben von acht Ortschaftsräten wollten weiterhin die unechte Teilortswahl, betonte sie. Dass trotzdem noch über das Thema diskutiert werde, zeige doch, wie real die Gefahr sei, Ortschaften nicht ernst zu nehmen, argumentierte sie. Wenn überhaupt, könne eine Abschaffung nur per Bürgerentscheid beschlossen werden.

  Bürgermeister Philipp Hahn warf ein, dass in Albstadt die unechte Teilortswahl einst gegen das Votum der Ortschaftsräte abgeschafft wurde, und dass es dort seither keine Beschwerden darüber gebe.

 Susanne Blessing (SPD) hob darauf ab, dass die unechte Teilortswahl ihrer Ansicht nach "nicht notwendig" sei. Einen Vermittlungsausschuss als Ersatz oder ein Stimmrecht für Ortsvorsteher bei sie betreffenden Themen finde sie aber "gut".

  Werner Beck, Sprecher der Freien Wähler, warb dafür, dass angesichts der neuen Vorschläge (Stimmrecht, Vermittlungsausschuss) die Ortschaftsräte nun noch einmal offen diskutieren sollten, wie sie unter diesen neuen Gesichtspunkten zu dem Thema stehen. Er selbst finde diese Vorschläge "sehr gut". Zudem betonte er, dass über dieses Thema nicht unter Zeitdruck entschieden werden muss. "Wir sind hier in einem Diskussions- und Entscheidungsprozess, dafür nehmen wir uns die Zeit", meinte er. Am Ende müsse dann natürlich irgendwann eine Entscheidung stehen.

  Lorenz Welte, CDU-Fraktionssprecher, tat sich etwas schwer, Stellung zu beziehen. Er selbst ist für die Abschaffung der unechten Teilortswahl, seine Fraktion insgesamt aber sei in diesem Thema "sehr heterogen". Eine Mehrheitsmeinung gibt es in der CDU offenbar nicht, was auch daran liegen könnte, dass gerade in der CDU viele Gemeinderäte über die unechte Teilortswahl gewählt sind. Vielleicht war er auch deshalb zu Anfang dafür, schnell klare Verhältnisse zu schaffen und über das Thema abzustimmen. Dann wären schwierige Debatten innerhalb der CDU-Fraktion wohl vom Tisch gewesen.

Allerdings willigte Welte angesichts der neuen Vorschläge doch ein, die Entscheidung nochmals zu verschieben. Er merkte aber auch an, dass er es für sehr unwahrscheinlich halte, dass in den Ortschaften ein Stimmungsumschwung noch möglich ist. Philipp Hahn gab ihm da "aus dem Gefühl" recht.

  Roland Huber, Freie-Wähler-Gemeinderat aus Boll, steuerte bei, dass er unter den Bollern noch niemand getroffen habe, der nicht gegen die Abschaffung der unechten Teilortswahl sei.

  Bürgermeister Philipp Hahn meinte dazu, dass er dagegen unter den Einwohnern von Bechtoldsweiler nur eine Ansicht zu diesem Thema wahrgenommen habe: "Die Leute zucken mit den Achseln". Sprich: Es scheint vielen völlig egal zu sein.

  Otto Pflumm, Ortsvorsteher von Stetten, brachte nochmals einen anderen Aspekte in die Debatte ein: "Ist der Gemeinderat überhaupt legitimiert zu einer Abschaffung", fragte er. Rechtlich sei das zwar der Fall, aber das Vertrauen der Bürger würde dabei Schaden nehmen. Für ihn kann höchstens ein Bürgerentscheid diese Frage klären.

  Margret Simoneit (SPD), erinnerte daran, dass gerade in Boll jüngst der neue Dorfplatz eingeweiht wurde, "und für dieses Projekt haben wir alle im Gemeinderat gestimmt, wir alle zahlen das, die Entscheidung fiel nicht nur wegen den Gemeinderatsvertretern aus Boll". Und genau diese gemeinsame Verantwortung von allen Gemeinderäten für die ganze Stadt sei wichtig.

Vorschlag: Kernstadt könnte eigenen Ortschaftsrat gründen

 Und dann brachte Werner Beck (Freie Wähler) noch ein Argument ein, das bis dahin noch nicht gehört wurde. Die Kernstadt sei mit Abstand der größte Teil von Hechingen. Was wäre, wenn die Kernstadt einen eigenen Ortschaftsrat gründen würde, der dann alles dominiere? Vielleicht nicht ernst gemeint, aber damit wollte Beck wohl verdeutlichen, dass die Kernstadt-Gemeinderäte auf jeden Fall dafür einstehen, eben nicht aus ihrer Kernstadt-Perspektive zu handeln.