Christof Stählin lässt sein Publikum in der Villa Eugenia teilhaben an den Aha-Erlebnissen

Von Willy Beyer

Hechingen. Etwas weniger Biss, aber dafür scharf formulierte Gegenwartserfahrungen: Christof Stählin bot am Samstag in der Villa Eugenia eine besondere Version seines Ein-Mann-Stücks "In den Schluchten des Alltags".

Die Rotunde der Villa war prall gefüllt, die Nebenräume ebenfalls gut belegt. In dieser intimen Atmosphäre war der Hechinger Poet, Liedermacher und Kabarettist in direktem Kontakt mit dem Publikum. Er interagierte, reagierte auf Zwischenbemerkungen, improvisierte ad hoc und fragte gezielt – um sich umgehend die Antwort selbst zu geben. Mal mit der typischen Handbewegung, mal mit Satzkonstruktionen.

Stählin sucht die Antworten auf große Fragen in den kleinen Dingen, etwa in einem Sonnenstrahl, der diagonal als Lichtschacht ins Zimmer scheint und dann "Sonnenstäubchen" erzeugt. "Die zarteste Form der menschlichen Melancholie", so Stählin, der dazu gleich ein eigenes Lied sang und sich dabei selbst auf der Vihuela begleitete sowie das Gedicht vom Sonnenpaul zitiert: "O Sonne, die du mich umsonnst."

Während der Insiderbuchtipp über "Das Lächeln", erschienen im "Mundwinkelverlag, Wangen", verschmitztes Gelächter auslöste, folgten bei den anscheinend unbedeutenden Alltagsbeobachtungen ganze Lachsalven. Wie beim gemimten Mann, der allein in einer Mansarde wohnt und dem "die Leistungsgesellschaft keine Gesellschaft leistet". Er hat die nur transzendental erklärbare Erleuchtung bei der Betrachtung einer Milchspur im Kaffee, entdeckt die Milchstraße und damit das Universum im Alltagsmikrokosmos. Welche Erkenntnis. "Es ist da", heißt so was im chiffreartigen Stählin-Refrain. Ein Aha-Erlebnis also.

Das gibt es denn auch beim Stehen auf der Badewannenkante, wenn sich beim wachsamen Blick auf eine Waschmittelwerbung Welten auftun. Das Programm hätte daher auch heißen können: Die Kunst der Achtsamkeit im Gegenwartsbewusstsein. Was in Religionen oder esoterischen Heilslehren als Weg zum Glück gesehen wird, ist bei Stählin der Katalysator im künstlerischen Schöpfungsprozess. Oder doch die Magie der Worte? Ganz bodenständig gesehen, war es jedenfalls ein kreatives Gedankentheater, und zwar erster Güte. Am Ende gab Georg Spindler noch ein Stelldichein. Der Schüler Stählins bot eine frech bayrisch akzentuierte Ode über den ganz privaten Geldfluss. Sein Credo: "’s kommt nei, ‘s geht ‘naus."