Über die Geschichte der Juden in Hechingen und über ihre Begräbnisstätte hat Stadtführer Jörg Küster auf dem jüdischen Friedhof berichtet. Foto: Stopper Foto: Schwarzwälder Bote

Stadtführung: Jörg Küster erläutert den jüdischen Friedhof / Während der Nazizeit mehrmals beschädigt

Er stahlt Ruhe aus, obwohl er doch auch ein Zeugnis der himmelschreienden Gemeinheit ist, mit der sich Menschen gequält haben: Der jüdische Friedhof in Hechingen. Stadtführer Jörg Küster hat ihn am Sonntag vorgestellt.

Hechingen. Wegen Corona war die Gruppengröße auf 20 Personen beschränkt, im vorigen Jahr hatte Küster noch etwa 80 Zuhörer. Aber was zählen schon die Auswirkungen der Pandemie angesichts der Geschichte des Leids, die dieser Ort erzählt?

Die Juden waren über Jahrhunderte rechtlose Flüchtlinge in einer feindlichen Welt. Barbarossa, bis 1190 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, verschaffte ihnen einen gewissen legalen Status und Schutz über eine Kammerknechtschaft, dafür aber mussten die Juden zahlen. Später übernahmen Städte und lokale Herrscher diese Konstruktion. Das Schutzverhältnis aber war lückenhaft.

In Hechingen nahm Graf Jos Niklas, der von 1538 bis 1558 regierte, die Juden gerne auf und kassierte von ihnen. So konnte eine kleine Gemeinde entstehen. Damit war es 50 Jahre später vorbei, als der erzkatholische Eitelfriedrich von Hohenzollern-Hechingen an die Macht kam. Die Juden wurden vertrieben, siedelten sich erst nach dem 30-jährigen Krieg wieder an.

Bizarre Geschichte, die Jörg Küster erzählte. Als Graf Josef Wilhelm eine spanische Prinzessin heiraten wollte, forderte diese die Vertreibung der Juden. Kurz bevor es so weit kam, ertrank die Prinzessin jedoch, die Juden durften bleiben.

Erste Beerdigungen fanden ab 1659 statt

G eachtet aber wurden sie nie, was auch die Geschichte des Friedhofs zeigt. Die ersten Beerdigungen fanden hier wohl ab 1659 statt. Das Gelände war eine Weide unterhalb des Hechinger Galgens – pure Schikane des Grafen. Ein Zaun zu bauen wurde verwehrt, Tiefe grasten zwischen den Gräbern. Erst unter Madame Kaulla wurde die Erlaubnis gegeben, einen Holzzaun zu bauen. Der allerdings wurde regelmäßig beschädigt. Erst gegen 1800 durfte dann eine Steinmauer um das Gelände gebaut werden.

Das mit Abstand grausamste Kapitel in der Geschichte jüdischer Gemeinden in Deutschland begann 1933 mit der Naziherrschaft. Wer sich nicht zuvor vertreiben ließ, wurde im Holocaust ermordet. 1955 wurde in der Friedhofskapelle eine Gedenktafel daran eingeweiht. Abseits der Öffentlichkeit, mit verharmlosendem Text und unvollständiger Namensliste, erklärte Jörg Küster mit sehr kritischer Betonung.

Der Friedhof wurde in der Nazizeit zwar mehrfach beschädigt, als Begräbnisort aber blieb er erhalten. Geschätzt wird, das weit über 1000 Menschen hier ihre letzte Ruhe fanden.

Für Juden haben ihre Begräbnisorte enorme Bedeutung. Nach ihrem Glauben sind Verstorbene nicht tot, sie schlafen nur bis zum Jüngsten Gericht. Bis dahin soll Ruhe herrschen auf den Friedhöfen, die im Hebräischen "Haus des Lebens" heißen. Wer den Ort mit den uralten Steinen besucht, wird diese Ruhe spüren.