Der Albtrauf oberhalb von Schlatt. Seit den Regenfällen Anfang Juni sind dort zwei Bruchkanten zu sehen. Das Gelände am Panzerweg ist weggerutscht. Foto: Bauer

Die Entstehung der neuen Schlatter Wand: Schutt gleitet auf wasserundurchlässigen Ornatenton.

Hechingen - Warum rutscht der Berg? Nach den Regenfällen Anfang Juni ist diese Frage hochaktuell. Spektakulär war besonders die Entstehung der zweiten Schlatter Wand.

 

Bei den starken Regenfällen Anfang Juni sind nicht nur Teile der Talheimer Steige abgerutscht, sondern es gab auch den Schaden im Schlatter Wald. Der Panzerweg ist in die Tiefe gesackt, und hat eine neue Bruchkante aufgerissen.

Für die Fachleute vom Geologischen Landesamt und von der Universität Tübingen ist dieser Erdrutsch keine Überraschung gewesen. Sie rechnen schon seit längerer Zeit mit Rutschungen entlang des Albtraufs zwischen Reutlingen und Balingen. In ihren Unterlagen sind viele Erdrutschungen aus den letzten 100 Jahren in diesem Albabschnitt festgehalten. Der Albtrauf nördlich des Killertals gilt als sehr stark rutschungsgefährdend.

Birgit Terhorst, heute Professorin der physischen Geographie an der Universität Würzburg, hat in ihrer Doktorarbeit die Ursachen der Massenbewegungen (Erdrutschungen) entlang des Albtraufs zwischen Mössingen und dem Zellerhorn erforscht. Sie stellt fest, dass starke Regenfälle nur der Anlass, nicht aber die Ursache der Massenbewegungen sind. Die Ursache ist vielmehr im Aufbau der Gesteinsschichten und in der Entwässerung der Hochfläche in Richtung Neckar zu suchen.

Der Bergrutsch von Schlatt hat eine bestimmte Charakteristik. Die Hochebene am Kirchenköpfle, der Kapfalm und der Beurener Heide wird vom Braunen Jura (epsilon) gebildet. Die oberste Gesteinsschicht besteht aus etwa acht Meter dickem dunklen Tonstein und reicht bis 680 Meter Meereshöhe.

Darauf sitzt die Gesteinsschicht des Braunen Jura Zeta. Das sind Ornatentone, die sehr rutschungsfreudig sind. Die obere Schicht des Tongesteins zeigt intensive Verwitterung und Staunässemerkmale (680 bis 720 Meter Meereshöhe).

Auf der Trennfläche zum darüber stehenden Weißen Jura Alpha liegen die Brunnenschächte der alten Beurener Wasserversorgung im Gewann Hinter Mahd. Der Weiße Jura Alpha besteht aus sandigen grauen Kalkmergeln, die im oberen Bereich mit Kalksteinbänken durchsetzt sind und bis 800 Meter Meereshöhe reichen.

In seinem oberen Bereich, 741 Meter hoch, verläuft der legendäre Panzerweg, und im mittleren Bereich liegt die berühmte Schlatter Quelle mit ihrem klaren Wasser.

Darüber erhebt sich der Weiße Jura Beta bis 853 Meter Meereshöhe. Er besteht aus hell- bis gelblichgrauen Kalkschichten. Sie sind durch Abbruchnischen wie die Schlatter Wand gut aufgeschlossen.

Die Ornatentone wie die darüberliegende Gesteinsschicht des Weißen Jura Alpha sind mit Schuttablagerungen und Blockschutthalden überdeckt. Die Schutthalden können viel Regen- oder Grundwasser speichern. Gleichzeitig sickert dieses Wasser bis zum wasserundurchlässigen Ornatenton durch. Diese weichen oder quellen bei Wassereintritt auf und erreichen einen Aggregatzustand, der einer Schmierseife entspricht.

Der Hangschutt, der die Ornatentone überdeckt, gleitet nach Unterlagen des Vermessungsamts um etwa einen Zentimeter jährlich hangabwärts. Somit werden die Kräfte des Hangschutts, die einer Rutschung entgegenstehen, geschwächt.

Der starke Regenfall Anfang Juni hat das Gewicht des Hangschutts folgenschwer erhöht. Die Widerstandskräfte konnten den schweren Hangschutt nicht mehr halten, so dass er sich hangabwärts in Bewegung setzte.

Die Rutschung begann unten und setzte sich oben fort. Waldbäume wurden mit den Rutschmassen hangabwärts gerissen. Die Abbruchkante am oberen Ende der Rutschung ist seitdem weithin sichtbar.

Die humuslose Geröllhalden des Erdrutsches werden in den nächsten Jahren von seltenen Pflanzen besiedelt. Es wird Jahre dauern, bis dort Sträucher und Bäume wachsen. Die Neubesiedlung durch Pflanzen und seltene Tiere ist ein Naturschauspiel, das aufmerksame Wanderer gut beobachten können.