Beim "Blutracheprozess" ging es um Revanche für die Ermordung von Umut K.Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Bilanz: Die Staatsanwaltschaft Hechingen hatte im vergangenen Jahr viel zu tun

Stolze 21 450 Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft Hechingen im Jahr 2019 zu stemmen. Darunter waren auch spektakuläre Fälle, wie etwa der "Blutrache-Prozess" und der "Buchstabendiebstahl" in Balingen.

Hechingen. 11 073 Ermittlungsverfahren gegen namentlich benannte Tatverdächtige waren im vergangenen Jahr zu bearbeiten. Im Jahr davor waren es 10 375 gewesen. Aus der Fülle der Verfahren im Jahr 2019 sind einige in der Öffentlichkeit auf ein besonderes Interesse gestoßen. In der Regel ging es um schwerwiegende Gewalttaten, die zu Anklagen beim Landgericht führten.

80-Jähriger Bankräuber

Zügig – nämlich noch am gleichen Tag – fiel das Urteil gegen einen 80-jährigen Bankräuber, der im Oktober 2019 durch das Landgericht Hechingen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt wurde. Der betagte – maskierte – Täter hatte mehrere Raubüberfälle auf Banken in Süddeutschland begangen, unter anderem in Balingen. Dort konnte er allerdings durch die Polizei gefasst werden. In allen Fällen hatte er vorgespiegelt, eine Bombe zünden zu wollen, sollte man ihm kein Bargeld überreichen. Die Taten hatten nicht nur erhebliche finanzielle Schäden, sondern mitunter schwerwiegende psychische Folgen bei den Betroffenen verursacht.

Im Januar 2019 hatte in Bisingen-Thanheim ein Mann seine schlafende Mutter durch einen Stich in den Hals lebensgefährlich verletzt und im Anschluss auch seinem Stiefvater im Kampf mit Tötungsabsicht Schnittwunden zugefügt. In einem Sicherungsverfahren erkannte das Landgericht Hechingen auf versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung an der Mutter sowie auf versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung am Stiefvaters. Der Mann wurde wegen des Vorliegens einer krankhaften seelischen Störung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.

Im Mai 2019 verurteilte das Landgericht Hechingen einen Mann wegen gefährlicher Körperverletzung, Betruges in zwei Fällen, Computerbetruges in acht Fällen und wegen Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Der Mann hatte dem Vater seiner Freundin bereits im November 2009 in Bisingen aufgelauert und ihn mit einem Messer attackiert. Die Aufklärung dieser Tat war erst knapp zehn Jahre später aufgrund eines DNA-Abgleichs gelungen.

Im Juni 2019 ordnete das Landgericht Hechingen in einem weiteren Verfahren die Unterbringung eines wegen Totschlags beschuldigten Mannes in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Der Mann hatte im Dezember 2018 seine Ehefrau in Pfullendorf mit 30 Messerstichen getötet. Das Gericht sah das angeklagte Tatgeschehen als erwiesen an. Ebenso auch den Umstand, dass der Täter aus paranoider Schizophrenie gehandelt hatte. Die Tat war damit im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen worden.

Im Sommer 2019 musste sich das Landgericht Hechingen erneut mit geplanten Racheaktionen nach dem "Staig-Mord" an Umut K. aus dem Dezember 2016 befassen. Ein Verfahren gegen zwei Angeklagte, denen zur Last gelegt worden war, sich dazu verabredet zu haben, im Wege der Selbstjustiz die Täter des "Umut K.-Mordes" zu töten und dabei waren, sich hierzu Scharfschützengewehre zu beschaffen, war im Revisionsverfahren vom Bundesgerichtshof zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Hechingen zurückverwiesen worden.

Die Angeklagten wurden im sogenannten "Blutracheprozess" am 12. Juli 2019 wegen Verabredung zum Mord erneut zu empfindlichen Freiheitsstrafen verurteilt. Einem Angeklagten war kurz vor dem Urteilsspruch die Flucht gelungen. Er konnte aber noch am selben Tag nach intensiver Fahndung gefasst und in Haft gebracht werden.

Der "Hundekotbeutel-Fall"

Im Oktober 2019 verurteilte das Landgericht Hechingen einen Mann wegen eines in Geislingen-Binsdorf verübten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Die Tat hatte sich im März 2019 ereignet. Das Opfer war im darauffolgenden Juni verstorben.

Mitunter waren es auch weniger gravierende Taten, denen das Augenmerk der Öffentlichkeit besonders galt. An dieser Stelle sei das – derzeit noch anhängige – Verfahren wegen des mehrfachen "Buchstabendiebstahls" in Balingen-Zillhausen ebenso erwähnt wie der "Hasawedel"-Fall in Boll/Stetten, der ebenfalls noch im Ermittlungsstadium steckt. Gerichtlich geklärt ist der "Hundekotbeutel-Fall", dem ein Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft zum Amtsgericht zugrunde lag: Ein Hundehalter hatte, verärgert über den seinen Hund treffenden Leinenzwang, der Sekretärin des Bürgermeisters einen mit nicht näher bekanntem Inhalt befüllten Hundekotbeutel übergeben mit dem abfälligen Hinweis: "Dies ist für den Bürgermeister". Der uneinsichtige Hundehalter legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein, weshalb der Fall drei Instanzen beschäftigte: sowohl das Amtsgericht als auch in der Berufungsinstanz das Landgericht Hechingen und auf die Revision des Verurteilten hin das Oberlandesgericht Stuttgart. Sämtliche Instanzen bestätigten die Beleidigung, die mit Schuldspruch und Geldstrafe geahndet wurde.

Von besonderer Bedeutung waren 2019 auch zahlreiche Verfahren der Staatsanwaltschaft Hechingen wegen Handels mit Betäubungsmitteln. Teilweise waren erhebliche Mengen an Drogen im Spiel. An dieser Stelle lässt sich exemplarisch etwa die Verurteilung von drei Tätern zu Freiheitsstrafen zwischen eineinhalb und vier Jahren durch das Landgericht Hechingen erwähnen, die aus einer Albstädter Gaststätte heraus einen schwunghaften Handel mit harten Drogen aufgebaut hatten.

Leicht gestiegen ist im vergangenen Jahr die Zahl an Strafvollstreckungsverfahren von 2974 im Jahr 2018 auf 3052 im Jahr 2019. Etwas zurückgegangen ist die Zahl der Ordnungswidrigkeitenverfahren (836). Der Anteil an Verfahrenseinstellungen und sonstigen Verfahrenserledigungen belief sich im Jahr 2019 auf 74,5 Prozent und entspricht damit im Wesentlichen den Werten der Vorjahre. Verschiedenen gemeinnützigen Einrichtungen sowie der Staatskasse wurden im Jahr 2019 Geldauflagen in Höhe von 175 855 Euro zugewiesen.

Weniger Personal

Die durchschnittliche Verfahrensdauer belief sich im Jahr 2019 auf 52,93 Tage pro Verfahren (Vorjahreswert: 59,26 Tage). Der größte Teil der Verfahren (58,6 Prozent) wurde innerhalb eines Monats erledigt, weitere 17,7 Prozent waren maximal ein bis zwei Monate anhängig. 8,3 Prozent aller Verfahren waren zwischen zwei und drei Monate bei der Staatsanwaltschaft anhängig, zwischen vier und sechs Monaten waren 8,2 Prozent der Verfahren in Bearbeitung, 5,3 Prozent dauerten zwischen sieben und zwölf Monate. Länger als ein Jahr waren nur 1,9 Prozent aller Verfahren anhängig.

Die "Sollstellenausstattung" 2019 im Dezernentenbereich der Staatsanwaltschaft Hechingen liegt bei 15,26 Vollzeitstellen. Über das Jahr waren im Schnitt 12,94 Dezernenten tätig. Der personelle Deckungsgrad ist damit im Vergleich zum Vorjahr spürbar gesunken. Ähnlich ist die Situation im Bereich der Justizangestellten. Durchschnittlich hatte jeder Dezernent bei der Staatsanwaltschaft Hechingen im Jahr 2019 rund 854 Ermittlungsverfahren zu bearbeiten.

2020 stehen mehrere neue Strafverfahren gegen Täter an, die sich derzeit in Untersuchungshaft befinden. So sind bereits zwei Verfahren wegen Tötungsdelikten sowie auch Verfahren gegen Drogenhändler anhängig, bei denen kiloweise Rauschgift sichergestellt werden konnte.