Hans im Glück trotzt einsam und alleine den Coronaferien. Fotos: Dick Foto: Schwarzwälder Bote

Reportage: Eine kleine Tour durch Hechingens Mittagspausen-Orte in freier Natur: Ist da überhaupt irgendwer?

Hechingen. Hunger! Ich hab’ Hunger. Spontan bin ich aus dem Homeoffice in die Hechinger City aufgebrochen, um eine Geschichte darüber zu machen, wie und ob die Menschen derzeit ihre Mittagspause in Starzelpark und am Eisweiher verbringen. Etwas für meine eigene Mittagspause habe ich dabei glatt vergessen. Sei’s drum, das "Starke Café" wird mich retten.

Ich bestelle eine Pide bei Ahmet und seiner Frau Türkan. Und bemerke in dem Moment erschreckt, dass ich gar kein Bargeld bei mir habe. Schon seit Beginn der Corona-Ferien muss man fast überall mit Karte zahlen. Aber bei Ahmet geht Kartenzahlung nicht. "Macht nichts", sagt er, "bring es irgendwann vorbei." So ein netter Kerl, denke ich. Dabei hat er wegen Corona Umsatzeinbußen von etwa 60 Prozent. Das sei für ihn existenzbedrohend, man könnte es auch gleich geschlossen lassen. "Wir öffnen das Café trotzdem", sagt Ahmet. Türkan fügt hinzu: "Damit wir nicht so viel Zeit zum Grübeln haben."

Manchmal braucht man eben frische Luft

Mit meiner Pide schlendere ich zum Starzelpark, das Wetter ist bombig: Sonnenschein, kein Wölkchen, über 20 Grad, an den Bäumen das erste zarte Grün. Aus Vor-Corona-Zeiten weiß ich, dass bei solchem Wetter kein Platz zu finden ist an der Starzel. Höchstens im Gras. Diesmal sind Bänke und Steintreppe menschenleer. Nur ein Mann in Arbeitsklamotten sitzt allein auf einer der Bänke und isst Kebap. Corona sei nicht der Grund, weshalb er hier alleine sitze, sagt er. Er wolle einfach seine Mittagspause hier verbringen, im Gegensatz zu seinen Kollegen. "Aber", fügt er hinzu, "so leer wie das hier ist, das ist sonst nicht so. Keine Kinder, keine älteren Leute. Das ist wegen Corona", ist er sich sicher.

In der Zwischenzeit ist meine Pide gegessen, sein Kebap auch. Auf zwei anderen Bänken haben es sich drei Cousins zwischen 20 und 35 Jahren gemütlich gemacht – mit deutlichem Abstand voneinander. Immerhin einen Kaffee hat jeder dabei, sie diskutieren laut, manchmal lachen sie. Dem einen fällt das "Social Distancing" schwer, die anderen sagen, es sei kein Problem für sie. Eher für die Kinder. Einer der drei Männer hat drei Söhne, das vierte Kind ist unterwegs. "Aber man hat halt Angst", sagt der dreifache Vater, "egal, ob man jung ist oder alt." Warum sie hier seien, will ich wissen. "Manchmal braucht man halt frische Luft", sagt einer und zwinkert vielsagend.

Ich ziehe weiter, will zum Eisweiher. Einzelne Radfahrer sind unterwegs, viele Spaziergänger, oft mit Kindern. Auf der Bank am Eisweiher sitzen zwei Frauen allein und essen Obst. Eine Mutter und eine ihrer beiden erwachsenen Töchter. Die Tochter hat Urlaub, ihre Schwester ist in Kurzarbeit, der Bruder auch. "Oft bin ich mit einem meiner Kinder hier, manchmal kommen wir auch alle zusammen", sagt die Mutter.

Dieser Tage fühlt man sich ab und an ertappt

"Wir leben ja auch alle in einem Haushalt", fügt sie schnell hinzu. "Wie übel, dass man sich dieser Tage fast ertappt fühlt, wenn man nicht klarstellt, dass man deshalb zusammen unterwegs sein darf, weil man auch zusammen lebt", saust es mir durch den Kopf. Ich kenne dieses Gefühl.

Die beiden Frauen haben kein Problem mit dem Abstandhalten von anderen. Sie regen sich aber über die Gruppe von Jugendlichen auf, die vor Kurzem von der Polizei an der Grillstelle am Martinsberg erwischt worden war. Und darüber, dass diese jungen Leute dort gewütet haben. "Die haben eine der Sitzbänke ins Feuer geschmissen, es liegt jetzt noch alles da", sagt die Mutter.

Vom Eisweiher aus sieht man schon viele Autos auf dem Parkplatz vor dem Märchenpfad, zu dem ich rübergehe. Da muss viel los sein. Und so ist es auch. Aber immer mit viel Abstand: ein türkischer Geschäftsmann in der Mittagspause, der erzählt, dass die Polizei hier ab und an kontrolliere, ob sich alle an das Verbot der Gruppenbildung halten; eine Frau, die auf einer anderen Bank liest und telefoniert.

Einzig drei junge Kerle sitzen beim Vesper recht dicht beieinander an einem der Picknicktische. "Seid ihr nicht zu dicht zusammen?", will ich wissen. "Wir sind Arbeitskollegen und hocken eh’ die ganze Zeit zusammen", ist die Antwort, und schwupp sind sie weg.

Ein Vater mit seinem fünfjährigen Sohn ist gleich auf dem Parkplatz geblieben, die beiden wollen hier Radfahren. "Ich passe auf ihn auf, habe sehr viele Überstunden", sagt der Mann. "Oma und Opa gehen halt im Moment nicht", fügt er hinzu, und dass der Kleine seinen Opa besonders vermisst. "Die zwei haben immer viel zu diskutieren", sagt er schmunzelnd. "Ich genieße jetzt einfach die Zeit mit meinem Sohn. Das Finanzielle kriegen wir danach auch wieder auf die Reihe." Auch er meckert über die Vandalen, die die Sitzbank ins Feuer geschmissen haben.

Töricht und unnötig die ganze Geschichte

Jetzt will ich diese verkohlte Sitzbank auch sehen, denke ich, und mach mich auf den Weg. Die Grillstelle ist nur einen Katzensprung vom Märchenpfad entfernt. Dort angekommen, ärgere auch ich mich über den Anblick. Wie töricht und unnötig die ganze Geschichte. Später sehe ich "Hans im Glück" auf dem Märchenpfad thronen. Der Pfad ist gesperrt. Einsam und verlassen steht Hans da. "Es kommen auch wieder bessere Zeiten", denke ich bei seinem Anblick. Obwohl: Hans lacht, nur ich bin geknickt.

Auf dem Heimweg ziehe ich Geld am Automaten. Das erste Mal seit Wochen. Ahmet und seine Frau lachen mich schon von Weitem an. Ich lache zurück, bestelle noch ein Wasser und bezahle meine Schulden. "Bis bald", sagen wir und winken.