Synagoge: Ausstellung legt korrupte Selbstbereicherung von NSDAP und Mitläufern im Dritten Reich offen

Die Nazis wurden nicht nur durch ihren Antisemitismus zum millionenfachen Mord an den Juden angetrieben, sie waren auch hochkorrupte Diebe, die bei der Judenverfolgung nie ihren Profit aus den Augen verloren – das belegt eine Ausstellung derzeit in der Hechinger Alten Synagoge.

Hechingen. "Ausgrenzung, Raub, Vernichtung" ist der Titel der Ausstellung, die einen nachdenklich zurück lässt. Man sieht alte Fabriken in Hechingen, die von ihren jüdischen Unternehmern 1938 zu Spottpreisen an NSDAP-Funktionäre verkauft werden mussten, erfährt von Josef Walther und Otto Hoffheimer, Eigentümer angesehener Hechinger Textilgeschäfte, die ebenso zu Zwangsverkäufen gezwungen wurden. Als nach 1938 auch ihr Mobiliar zwangsversteigert wurde, boten genügend Hechinger mit und machten Schnäppchen.

Und man sieht beamtendeutsch-korrekt ausgefüllte Formulare eines perfekt eingespielten Systems aus Finanzämtern, Kommunalvertretern, NSDAP, Gestapo, skrupellosen Unternehmern, die nach genau festgelegten Regeln die Juden um ihr Vermögen brachten, stets darauf bedacht, dass die "Nazispezel" nicht zu kurz zu kamen. Gerade Württemberg und auch Hohenzollern taten sich bei dieser korrupten Plünderei hervor, so dass sogar übergeordnete Stellen die Selbstbereicherung lokaler Nazigrößen missbilligten. Aber in einem Land ohne Rechtsstaat und freier Presse blieb so etwas einfach folgenlos.

Woher man das alles weiß? 2012 startete eine Forschung über dieses Thema auf Initiative von Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb und Landesbehörden. 29 Personen sichteten jahrelang an vielen Stellen im Land Archive, trugen Erkenntnisse zusammen. Die Ergebnisse sind in einem 600 Seiten dicken Dokumentationsbuch veröffentlicht, das auch Grundlage der Wanderausstellung ist.

Martin Ulmer, der Leiter des Gedenkstättenverbunds, hat die Ausstellung am Dienstag mit einer kurzen Zusammenfassung der Forschungsergebnisse eröffnet. Obwohl er die Sachverhalte längst kennt, schien ihm in diesem Vortrag immer noch das Erstaunen über die unverblümt gezeigte materielle Gier der Nazis im Gesicht zu stehen. Einige der NSDAP-Vertreter waren schon vor der Machtergreifung als korrupt aufgefallen, nach 1933 fielen alle Hemmungen.

Die vor allem von jüdischen Unternehmern aufgebaute Textilindustrie im Land war eine lohnende Beute. In Hechingen erbrachten diese Firmen ein Drittel des Gesamtsteueraufkommens. Die Firma Levi und Co gab in Hechingen 124 Beschäftigten eine Arbeit. Übernommen wurden die Firmen meist noch vor der Reichspogromnacht im November 1938.

Zwischen 1933 und 1938 sei die Ausplünderung und Drangsalierung der Juden eher von unten, von Nazi-Aktivisten vor Ort, fanatischen Antisemiten und Profiteuren betrieben worden, erklärte Martin Ulmer. Erst nach der Pogromnacht sei die Vernichtung der Juden dann völlig zentralisiert worden.

An der Ausplünderung profitierten auch in Hechingen nicht nur die korrupten Nazis. Auf Beamtenstellen, aus denen Juden hinausgekündigt wurden, rückten andere nach. Geschäftskunden, die boykottierte jüdische Läden verloren, sorgten fortan bei den Konkurrenten für Umsatz, Karrieren wurden durch Gesinnung begünstigt. Es habe durchaus Leute gegeben, die anständig geblieben seien, die ihren jüdischen Händlern treu blieben, ihre jüdischen Freunde weiter grüßten, die sich der Ausgrenzung lange entgegen setzten. Diese Haltung sei in katholisch geprägten Städten wie Hechingen stärker gewesen als im evangelisch geprägten Tübingen, so Martin Ulmer. Am Ende aber setzten sich die Nazis durch. Die Juden, die ab 1941 in die Todeslager fuhren, waren um sämtliches Vermögen beraubt worden.

Die Ausstellung ist am 15., 22. und 29. März von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Auf Wunsch sind auch Führungen zu anderen Zeiten möglich.