Eine Hebamme tastet in ihrer Praxis den Bauch einer schwangeren Frau ab. Auch im Freudenstädter Krankenhaus fehlt es immer wieder an Hebammen. Foto: Annette Riedl/dpa

Janina Wennagel, 1. Vorsitzende Hebamme für den Kreis Freudenstadt, und ihre Stellvertreterin Amelie Straub schätzen die aktuelle Lage ein und erklären, was im Beruf besonders wichtig ist.

Horb/Kreis Freudenstadt - Man könnte die Hebamme als "sicheren" Beruf bezeichnen, denn Kinder werden immer auf die Welt kommen. Es ist aber immer wieder von fehlenden Hebammen zu lesen, auch im Kreis Freudenstadt.

 

Positives Ansehen

Das Ansehen des Berufs schätzen die beiden Vorsitzenden im Kreis hingegen positiv ein. "Wir erhalten meist positive Rückmeldungen auf unseren Beruf. Oft kommen Fragen und Anmerkungen, wie zum Beispiel: ›Ich war sehr dankbar eine Hebamme gefunden zu haben. Toll, dass du diesen Beruf machst, ich könnte das nicht‹." Worte die sicher gut tun, allgemein stößt man laut Wennagel und Straub größtenteils auf Verständnis: "Wir haben das Gefühl, dass die Öffentlichkeit über den Stand und die Probleme der Hebammen Bescheid weiß. Vor allem Eltern, die bereits die Hilfe einer Hebamme in Anspruch genommen haben, empfinden das die politische Wertschätzung oft zu gering ist."

Verpflichtendes Studium

Eine gewissermaßen höhere Wertschätzung erhält das Berufsbild dadurch, dass ein Studium nun Pflicht ist, um als Hebamme arbeiten zu dürfen. Dieses kann zum Beispiel an der Universität Tübingen absolviert werden. Wennagel und Straub sehen gleich mehrere Vorteile durch diese – vor zwei Jahren in Kraft getretene Reform. "Das Studium ist eine Aufwertung des Berufes und gut für den Stand der Hebammen, die Geburtshilfe wird dadurch aufgewertet. Durch Bachelor-Arbeiten werden in vielen Bereichen der Geburtshilfe Forschungen betrieben und Studien gemacht." Dass der sowieso schon vorhandene Mangel sich durch die höheren Zulassungsvoraussetzungen für den Beruf verschlimmern könnte, glauben die beiden nicht. "Wir glauben nicht, dass das Studium der Grund für den Hebammenmangel ist. Solange sich das System nicht ändert, wird sich der Hebammenmangel auch nicht verbessern."

Kritikpunkte am System

Als explizite Kritikpunkte werden die fehlende "Eins-zu-Eins"-Betreuung in der Klinik, die Nichtvereinbarkeit von Schichtdienst mit der Kinderbetreuung, niedrige Gehälter und die hohe Belastung durch Überstunden genannt. Auch im Kreis Freudenstadt gibt es daher einen Mangel an Hebammen. Vor allem in den Sommermonaten komme es laut Aussage von Wennagel und Straub durch den Urlaub von Kolleginnen zu Engpässen.

"In der Freiberuflichkeit fehlen uns einige Kolleginnen, viele Frauen haben leider keine Hebammenbetreuung in der Zeit nach der Geburt." Ähnlich sehe die Lage im Kreißsaal in Freudenstadt aus. Zwar hätten in den vergangenen Wochen auch neue Hebammen begonnen, aber voll besetzt sei der Kreißsaal noch nicht. Hinzu kommt noch die Impfthematik rund um das Coronavirus: "Die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht bereitet einigen Kolleginnen nach wie vor Sorge, da diese nicht wissen, ob Sie Ihren Beruf weiterhin ausüben können. Sollten diese Kolleginnen nicht weiterarbeiten können, würde das zu einer Verschlechterung der Situation führen", erklären die Vorsitzenden.

Flexibilität unabdingbar

Generell sei es eine wichtige Eigenschaft als Hebamme, sich auf Veränderungen einzustellen: "Spontanität und Flexibilität gehören ein Stück weit zum Alltag einer Hebamme. Man muss auf jede Frau und Situation individuell eingehen. Arbeit an Wochenenden, Feiertagen und Spät- und Nachtdienste gehören zum Job", skizzieren Wennagel und Straub. Auch Situationen wie der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Geflüchteten sorgen für Herausforderungen – denn die Kommunikation fällt schwer, wenn solche Frauen schwanger im Kreißsaal sind. Man weiß sich jedoch zu helfen, wie auf unsere Nachfrage verraten wird.

Zu sprachlichen Barrieren komme es immer wieder im Alltag einer Hebamme. "Durch Familienangehörige oder Mitarbeiter/innen im Krankenhaus, die übersetzen können, Google Übersetzer oder mit Händen und Füßen kann man aber viele Themen besprechen und erklären."