Jona Schoch und seine Teamkollegen schließen das Jahr auf Platz 17 ab. Foto: Kara

Handball: Geschäftsführer über die Probleme des Handballs und des HBW Balingen-Weilstetten in Zeiten von Corona.

Die Mannschaften in der Handball-Bundesliga haben das "Corona"-Jahr 2020 am Sonntag abgeschlossen. Der HBW Balingen-Weilstetten belegt mit 7:23 Punkten den 17. Rang und damit den ersten Abstiegsplatz. HBW-Geschäftsführer Wolfgang Strobel spricht darüber, womit er und der Klub zu kämpfen hatten und wohl auch weiterhin zu kämpfen haben.

Vor der Saison war die Frage, wie lange der HBW mit stark begrenzten oder gar ohne Einnahmen aus den Heimspielen finanziell durchhält. Herr Strobel, wie ist die Situation?

Es ist jetzt etwas besser, weil es die Corona-Hilfen vom Bund gibt, mit denen die Verluste bei den Ticketeinnahmen abgefedert werden. Weil wir in einem Bereich des Ausfalls liegen, in dem wir nicht an die Maximalsumme von 800.000 Euro herankommen, haben wir die Chance, noch einmal förderberechtigt zu sein, wenn das Paket 2021 wieder kommt. Das würde uns als kleinem Klub natürlich helfen.

Von den Corona-Hilfen allein werden Sie aber sicher nicht überlebensfähig sein?

Nein, weil sich das Problem davon, dass keine Leute in die Halle kommen, auf die normale Unterstützung wie Werbeleistungen, die Einnahmen beim Catering und so weiter verschiebt. Wenn wir da größere Einbußen haben, ist das schwierig. Wenn beispielsweise ein Sponsor 3000 Euro für sein Paket bezahlt und darin 800 Euro für Tickets drinstecken, bekomme ich den Ticket-Ausfall ersetzt. Ich muss aber auch darauf hoffen, dass die anderen 2200 Euro vom Sponsor auch kommen. Wir haben bereits Ideen umgesetzt – und werden auch noch weitere umsetzen –, wie wir die Werbeleistung erbringen können, wenn bei Heimspielen keine Zuschauer in der Halle sind. Das muss man einfach auf dem Schirm haben.

Rechnen Sie damit, dass in dieser Saison die Zuschauer zurückkehren?

Das kann ich nicht abschätzen. Bei allem, was momentan passiert, ist es für mich eigentlich unvorstellbar, jetzt an Februar zu denken.

Kommt Ihnen die WM-Pause in dieser Hinsicht entgegen, und wie stehen Sie zu einer WM in Corona-Zeiten in Ägypten?

Die Pause ist schon gut für uns, weil wir in dieser Zeit in allen Bereichen noch einmal justieren können. Außerdem brauchen wir die Weltmeisterschaft grundsätzlich, um medial präsent zu bleiben.

Sind Sie in der aktuellen Lage froh, dass Sie voraussichtlich mit Ausnahme von Oddur Grétarsson keine Spieler zur WM abstellen?

Ich sehe die WM nicht als das Riesenproblem an. Ich habe größeren Respekt vor den Qualifikationsspielen, die jetzt anstehen. Wo Grétarsson mit Island aber auch Vladan Lipovina mit Montenegro mit den Hin- und Rückspielen hier eine Reise und da eine Reise antreten müssen. Es wäre vom Ablauf sinnvoller gewesen, wenn sich die Nationalteams alle in ihren Heimatländern treffen, dort in Quarantäne gehen, sich vorbereiten und dann gemeinsam zur WM nach Ägypten fliegen.

Können Sie sich überhaupt an Handball-Spiele ohne Publikum gewöhnen?

Es fehlt brutal viel, wovon dieser Sport lebt. Als ich bei unserem ersten Geisterspiel auf der Tribüne stand, dachte ich: "Boah – normalerweise geht es jetzt hier gerade richtig zur Sache." An das muss man sich sicherlich gewöhnen, ich glaube auch, dass man sich an alles gewöhnen kann. Die Frage ist, ob man das wirklich will. Also ich persönlich will mich nicht daran gewöhnen. Klar, akzeptiere ich, dass es aktuell so ist.

Sehen Sie irgendwelche Auswirkungen auf das Spiel an sich?

Ich glaube schon, dass es das Spiel beeinflusst. Ich bin mir nicht sicher, ob wir ein Heimspiel gegen die Füchse Berlin ebenso mit zehn Toren verloren hätten, wenn die Arena voll gewesen wäre. Genau so schwer ist es, sich vorzustellen in einer vollen Arena in Nürnberg nach der hektischen Schlussphase gegen den HC Erlangen zu gewinnen. Insgesamt finde ich, dass es die Schiedsrichter nun leichter haben, weil die Emotionen immer nur relativ kurz hoch kochen und sich die Lage immer wieder sehr schnell beruhigt.

Wie schätzen Sie die Leistungen der HBW-Mannschaft ein?

Es ist bisher sehr wechselhaft. Nach der Phase mit 7:3 Punkten haben wir nun wieder das Problem, das wir am Anfang der Saison hatten. Wir sind in den Leistungen nicht konstant genug, und wir sind zu abhängig von unseren Leistungsträgern.

Mit Mike Jensen verlieren Sie schon wieder einen jungen Torhüter an die Konkurrenz, den Sie selbst gescoutet und nach vorn gebracht haben. Wie wollen Sie ihn ersetzen?

Ich hab vor ein paar Tagen mal im Spaß gesagt, dass wir uns überlegen müssen, einen alten Torhüter zu verpflichten, wenn wir uns darüber aufregen. Aber unsere Philosophie ist eben eine andere. Wir müsse damit einfach leben – so bitter das für uns ist. Vielleicht wäre es gut gewesen, Mike wäre noch mal ein Jahr hiergeblieben. Aber jetzt ist es eben so. Klar sind wir auf der Suche und auch schon in Gesprächen. Aber auch dann wird wieder die Gefahr bestehen, jemanden zu holen, der hier seine Chance sieht und nach zwei, drei Jahren wieder weg ist. Aber wenn so jemand Vollgas gibt, ist es für alle Beteiligten die beste Situation.

Wird diese "Corona-Saison" Einfluss auf die Entwicklung des Nachwuchses haben?

Grundsätzlich finde ich es schlimm, dass die meisten Kinder und Jugendlichen in den Nachwuchsabteilungen ihr Hobby nicht ausüben dürfen und nach dem ersten Lockdown im März jetzt zum zweiten Mal von den Einschränkungen betroffen sind. Besonders schwierig ist die Situation sicher für die Spieler, die jetzt im A-Jugendalter und damit auf der Schwelle zum Erwachsenen-Handball stehen. Das ist eine entscheidende Phase. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass diese Problematik in vier, fünf Jahren stark zum Tragen kommen wird.

Apropos Nachwuchsarbeit: Mit André Doster verabschiedet sich ein Trainer, der lange Jahre erfolgreich in der JSG aber auch beim HBW II gearbeitet hat. Wie wollen Sie die Lücke schließen?

Dass er bei uns aufhört, hat uns etwas unerwartet und stark getroffen. Denn er hat es über Jahre hinweg sehr gut verstanden, die jungen Spieler auszubilden und sie auf dem Weg in die Bundesliga-Mannschaft zu begleiten. Es ist nicht einfach für einen Trainer, wenn er immer wieder Spieler nach oben abstellen und seinen Kader vor jeder Saison umkrempeln muss. Da gehört auch die Bereitschaft dazu, immer wieder mit neuen Situationen umzugehen und den Anspruch zurückzuschrauben, den möglichst großen Erfolg mit der eigenen Mannschaft zu haben.

Wer könnte denn das Anforderungsprofil erfüllen?

Das könnte ein erfahrener Trainer sein, der in seiner Karriere schon gewisse Erfolge gefeiert hat und dafür bekannt ist, sehr gut mit jungen Spielern zu arbeiten und seinen Fokus nun auf die Entwickelung der jungen Spieler legen will. Es kann aber auch jemand sein, der die Philosophie, die wir mit unserem Drittliga-Team verfolgen, bestens kennt.