Dem Sparschwein der Stadt Freudenstadt geht’s an den Kragen: 4,3 Millionen Euro müssen aus den liquiden Mitteln abgezwackt werden.Foto: © Composer – stock.adobe.com Foto: Schwarzwälder Bote

Verwaltung kündigt Haushaltsstrukturkommission an. Tiefer Griff in "Spardose".

Die Stadt Freudenstadt muss in diesem Jahr tief in ihre "Spardose" greifen und zudem Kredite aufnehmen. Eine Haushaltsstrukturkommission soll deshalb in Zukunft alle Gebühren und Entgelte kritisch prüfen.

Freudenstadt - Schon im vergangenen Jahr war bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts klar, dass die Aufstellung des Haushaltsplans 2021 eine knifflige Aufgabe werden würde. Doch Kämmerer Jochen Kaupp und seine Mitarbeiter haben es wohl geschafft, dem Gemeinderat einen Haushaltsplanentwurf vorzulegen, der auch genehmigungsfähig ist.

Bürgermeisterin Stephanie Hentschel hielt für den verhinderten Oberbürgermeister Julian Osswald die Haushaltsrede, die von den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für die Stadt geprägt war.

Wie Bürgermeisterin Hentschel erläuterte, ergab die vorläufige Haushaltsplanung zunächst ein Defizit von rund 10,5 Millionen Euro im Ergebnis- als auch im Finanzhaushalt. Im ersten Schritt sei es dann gelungen, das Defizit im Ergebnishaushalt auf sechs Millionen Euro zu senken. Dafür habe ein ganzer Katalog von notwendigen und wünschenswerten Vorhaben gestrichen oder geschoben werden müssen. So hätten Budgetansätze für den Gebäudeunterhalt gesenkt und die Zuschüsse an die Bäderbetriebe und an Freudenstadt Tourismus gekürzt werden müssen.

Unter dem Strich müsse man den Ergebnishaushalt mit 4,3 Millionen Euro an Eigenmitteln und den Finanzhaushalt mit einer Kreditaufnahme von 4,9 Millionen Euro abfangen. "Aber beides können wir gerade noch in einem vertretbaren Rahmen halten", so die Bürgermeisterin. Trotz der angespannten Lage könne und wolle die Stadtverwaltung zentrale Vorhaben wie den Breitbandausbau in Kniebis, im Bereich Langenwaldsee und in Zwieselberg nicht aufschieben. "Vielmehr möchten wir gerade mit diesen Projekten positive Zukunftssignale senden." Um die Einnahmenseite des Ergebnishaushalts zu verbessern, sei man übereingekommen, die Grundsteuer B um 50 Prozentpunkte zu erhöhen. Diese Anpassung solle aber auf drei Jahre beschränkt werden. Bürgermeisterin Hentschel ging in ihrer Haushaltsrede auf verschiedene Teilbereiche der Stadt ein.n Bevölkerung und Bauflächen: Laut statistischem Landesamt leben 23 765 Menschen in Freudenstadt, das damit weiter gewachsen ist. Die Nachfrage an Bauplätzen und Wohnraum sei nach wie vor "überwältigend hoch", gab Hentschel bekannt. Auch in den Stadtteilen tue sich einiges. Das Baugebiet Riedgasse-Ost in Wittlensweiler habe Gestalt angenommen, in Igelsberg habe man neue Bauplätze ausgewiesen und in Kniebis seien neue Baumöglichkeiten in Planung. Außerdem sei die Stadt an den Planungen für das Neubaugebiet Riedgasse-West. In Musbach wolle man ebenso in einem verträglichen Maß ein neues Baugebiet ermöglichen. Auch für Dietersweiler gebe es Überlegungen, wo Entwicklungsmöglichkeiten liegen. n Arbeitsplätze und Wirtschaft: Wie Stephanie Hentschel betonte, sei es beruhigend, dass Freudenstadt zum 30. Juni 2020 10 681 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zählte. 4405 wohnten in der Stadt. Die regen Bautätigkeiten im Gewerbegebiet Sulzhau seien ein positives Signal für die wirtschaftliche Entwicklung. Anlass, mutig und selbstbewusst in die Zukunft zu blicken, gebe der Campus Schwarzwald, der einen Senkrechtstart hingelegt habe. n Bildung, Jugend, Senioren und Ehrenamt: Nach Abzug aller Zuschüsse seien in diesem Jahr für die Kindergärten rund 4,75 Millionen Euro eingeplant. Für die Schulträgeraufgaben kämen insgesamt 2,2 Millionen hinzu. Damit werde der laufende Betrieb auf einem guten qualitativen Niveau gesichert und weiterentwickelt, betonte die Bürgermeisterin. 1,7 Millionen Euro seien für die energetische Sanierung der Fassade der Kepler-Schule eingeplant. Für die Sanierung der Falkenrealschule werde in diesem Jahr die abschließende Rate von 167 000 Euro fällig. Für die Planung des Erweiterungsbaus sei eine Rate von 50 000 Euro veranschlagt. Die Stadt habe in der ersten Tranche des Digitalpakts eine pauschale Förderung von 160 000 Euro erhalten. In Kooperation mit der Stadtverwaltung und dem Kreismedienzentrum arbeiteten die Schulen an ihren jeweiligen Medienentwicklungsplänen. Das soziale Miteinander dürfe in der Stadt nicht vergessen werden. Hentschel erwähnte dabei den Baufortschritt an der Erweiterung des Martin-Haug-Stifts, wo auch der Theodor-Gerhardt-Kindergarten mit drei Ganztagsgruppen einzieht. In den über 200 Vereinen zeige sich, dass das ehrenamtliche Engagement die Bürgergesellschaft prägt. Die Haushaltsstrukturkommission werde aber beim Durchleuchten der freiwilligen Ausgaben der Stadt nicht daran vorbeikommen, auch die Vereinsförderungen auf den Prüfstand zu stellen.n Tourismus und Forst: Die Betriebe im Bereich Hotellerie und Gastronomie treffe die Pandemie besonders hart, da sie sehr viel Zeit und Geld in die Hygienekonzepte gesteckt hätten, betonte Hentschel. Wenn sich eine deutliche Verbesserung der Lage abzeichne, müsse schnellstmöglich ein Signal gesendet werden, ab wann eine Öffnung unter strengen Hygienevorgaben möglich ist. In Zeiten der Pandemie werde der Wald immer beliebter. Er erfülle für die Stadt aber auch eine wirtschaftliche Funktion. Trotz des schwierigen Jahres mit sinkenden Holzpreisen könne im Stadtwald ein positives Ergebnis mit rund 200 000 Euro erzielt werden.n Infrastruktur: Viele Investitionen konzentrierten sich auf den Breitbandausbau und die Digitalisierung, betonte die Bürgermeisterin. Inklusive der Fördermittel komme man auf die stolze Summe von 5,7 Millionen Euro. In allen Stadtteilen werde es neben den Bauflächen auch weitere Investitionen geben, in der Kernstadt werde der zweite Teil der Rappenstraße ausgebaut. Dann würden die ersten Zeichen der Gartenschau sichtbar, erläuterte Hentschel. Allerdings sei es in diesem Haushalt nicht möglich, wie geplant Geld für die Daueranlagen der Gartenschau anzusparen. Das bedeute, dass in den nächsten Jahren dafür mehr Mittel eingeplant werden müssen. n Personal: Die Personalausgaben der Stadt steigen um 763 500 Euro. Darin seien jedoch 416  000 Euro für Tarifsteigerungen, Umlagen und nicht beeinflussbare Kosten enthalten. 191 000 Euro fließen in den sozialen Bereich. Somit verblieben im sogenannten Kernbereich der Verwaltung nur die unabdingbaren Steigerungen von 156 500 Euro und damit 0,9 Prozent, hob Hentschel hervor.

Kämmerer Jochen Kaupp erläuterte bei der Einbringung des Haushalts 2021 die Eckdaten des Planwerks. n Der Ergebnishaushalt umfasst Gesamterträge von 60,4 Millionen Euro. Der Löwenanteil sind mit 31,3 Millionen die Steuern und Steueranteile. Die Gewerbesteuer lag im vergangenen Jahr mit rund 8,7 Millionen Euro etwa 2,6 Millionen unter dem Plan. Für dieses Haushaltsjahr plant die Stadt optimistisch mit rund zehn Millionen Euro. Die Erhöhung der Grundsteuer B soll 550 000 Euro an Mehreinnahmen in den Stadtsäckel spülen. Bei den Zuweisungen, mit 20,4 Millionen Euro der zweigrößte Ertragsposten, erwartet die Stadt wegen des guten Ergebnisses aus dem Jahr 2019 eine Million Euro weniger an Schlüsselzuweisungen vom Land. Bei den Aufwendungen von 66,4 Millionen Euro sind die Transferaufwendungen mit 30,1 Millionen Euro der größte Posten. In ihnen sind unter anderem die Umlagen aus dem Finanzausgleich und die Aufwendungen für die Eigenbetriebe Freudenstadt Tourismus (1,7 Millionen) und Bäderbetrieb (2,3 Millionen Euro) enthalten.n Im Finanzhaushalt (Investitionen) verbucht die Stadt normalerweise den Überschuss aus dem Ergebnishaushalt. Da es in diesem Jahr keinen gibt, entsteht ein Zahlungsmittelbedarf von 3,4 Millionen Euro, das sind 20 Prozent der gesamten Auszahlungen. Den Löwenanteil machen die Baumaßnahmen mit 9,6 Millionen aus. Bei den Einzahlungen von 17 Millionen Euro stehen die Investitionszuwendungen und Beiträge mit 5,2 Millionen an der Spitze, dann folgt die Kreditaufnahme von 4,9 Millionen Euro und die Entnahme aus den liquiden Mitteln von 4,3 Millionen Euro, der "Griff in die Spardose". "Jede Investition ist kreditfinanziert" erläuterte Kaupp. Die Kreditaufnahme erreicht nach der mehrjährigen Planung 2021 mit 4,9 Millionen Euro einen Höchststand und sinkt 2022 leicht auf 4,5 Millionen Euro, bevor sie 2023 auf 3,6 und 2024 auf 1,6 Millionen Euro zurückgeht. Der Schuldenstand erreicht laut Kämmerer Jochen Kaupp in diesem Jahr auf 12,3 und steigt 2022 auf 15,8 Millionen Euro, 2023 auf 18,6 und 2024 auf 19,2 Millionen Euro. Entsprechend sinken die liquiden Mittel auf 4,3 Millionen Euro zum Ende diesen Jahres und auf 1,6 Millionen Ende 2022. 2023 und 2024 und liegen sie dann nahe der Mindestreserve.