Es war ein Kraftakt, als der Gemeinderat jetzt Stuttgarts Stadthaushalt 2014/2015 beschloss. Man raufte sich zusammen, um Rekordinvestitionen zu beschließen. Dafür wird wohl eine Neuverschuldung in Rekordhöhe nötig. Bis zuletzt rangen Fraktionen und Verwaltung um ein genehmigungsfähiges Zahlenwerk.
Stuttgart - Im Rathaus ist am Freitag Stuttgarts Haushalt für 2014/2015 beschlossen worden. Er stellt eine Zäsur dar in der Finanzpolitik der Stadt. Denn nicht nur die in zwei Jahren geplanten Investitionen von 797 Millionen Euro sind ein „absoluter Spitzenwert“ (Finanzbürgermeister Michael Föll), auch die Neuverschuldung um 150 Millionen bis Ende 2015 und um 444 Millionen bis Ende 2018 ist rekordverdächtig, zumal nach Jahren des Schuldenabbaus.
Viel Geld fließt wie in den Vorjahren in die Sanierung der Schulgebäude (50 Millionen Euro pro Jahr). Die Rathausgarage wird durch einen Neubau mit nur noch zwei Etagen Stellplätze, dafür aber mit Lokalen, Läden, Büros und einer Mitarbeiter-Kita für die städtische Belegschaft ersetzt (38,6 Millionen). Die öko-soziale Mehrheit im Gemeinderat ließ hier die Muskeln spielen.
Auf dem Verkehrssektor beschloss der Gemeinderat unter anderem den Bau eines Fußgängerüberwegs zwischen Königstraße und Hauptbahnhof, aber für die B 14 beim Opernhaus gab es nicht genügend Unterstützung. Beim Projekt Stadt am Fluss soll es nach langer Planung am Neckar erste kleine Bauabschnitte geben, unter anderem beim Neckar-Abschnitt am Max-Eyth-See.
Kräftig ausgebaut wird die Belegschaft. Zu den bisher 9200 Stellen bei der Stadtverwaltung (ohne Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen) kommen etwa 940 hinzu. In der Kinderbetreuung entstehen in den nächsten Jahren 607 zusätzliche Stellen.
Starker Stellenzuwachs bereitet auch Kämmerer Sorgen
Das trug auch OB Fritz Kuhn (Grüne) mit. Er sagte aber auch, ihm sei der Automatismus zu stark ausgeprägt, bei neuen Aufgaben gleich neue Stellen zu wünschen. Man müsse künftig überlegen, was die Stadt unbedingt machen müsse – und was nicht. Man dürfte auch nicht mehr so oft Gelder für Planungen bereitstellen, obwohl die Umsetzung nicht sicher sei. Im Fall des Verzichts gebe es Frust bei den Bürgern.
Der starke Stellenzuwachs bereitet auch Kämmerer Föll (CDU) Sorgen: „Das ist ein Riesenkostenblock für die nächsten Jahre.“ Immerhin dürfte es um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gehen. Der gesamte Haushalt hat ein Volumen von 5,2 Milliarden Euro pro Jahr. Bei der Gewerbesteuer erwartet man 552 bis 562 Millionen Euro pro Jahr. Der Hebesatz bei dieser Steuer bleibt unverändert, der bei der Grundsteuer auch, obwohl das bürgerliche Lager hier die Senkung verlangte.
„Dieser Haushalt ist ein Wechsel auf die Zukunft, den wir mit Krediten finanzieren“, hatte Föll schon zu Beginn der rund zehnstündigen dritten Lesung über das Gesamtpaket geurteilt – im Wissen darum, was in 63 Stunden Vorberatungen ausgehandelt worden war. Kuhn und Föll benannten Risiken: Die Steuereinnahmen seien am „oberen Rand“ des Möglichen kalkuliert; durch konzerninterne Neuaufstellungen wie im Fall von Porsche und Volkswagen könnten weitere Gewerbesteuereinnahmen wegbrechen. Außerdem wurde einige positive Rahmenbedingungen unterstellt: Dass sich die positive Wirtschaftslage bis Ende 2018 nicht eintrübt; dass bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst im Jahr 2014 ein Plus von maximal zwei Prozent ergeben; dass sich Bund und Land nicht zu Lasten der Kommunen entschulden und dass die LBBW der Stadt 189 Millionen stille Einlagen zurückgeben kann.
Notfalls, sagte Kämmerer Föll, werde man unter dem Jahr gegensteuern müssen. Davon abgesehen müsse man daran arbeiten, dass der Ergebnishaushalt – in dem alle Einnahmen und Ausgaben des laufenden Betriebs erfasst sind – einen Überschuss von 200 Millionen Euro für Investitionen und Schuldendienst abwerfe und kein Defizit von 100 Millionen Euro produziere. Dann erst hätte man eine gesunde und nachhaltige Haushaltsstruktur. OB Kuhn will das bald angehen.
Kita-Ausbau nur gestreckt, nicht gekürzt
Die Aufgabe des Tages sei es aber, einen Haushalt hinzubekommen, der vom Regierungspräsidium als Aufsichtsbehörde genehmigt werden könne, sagte Föll. Nach den zwei Beratungsrunden zuvor war die zulässige Kreditobergrenze für 2014 um 33,6 Millionen übertroffen, für 2015 um 13,2 Millionen Euro. Manche Fraktion hatte noch mehr Wünsche. Deshalb gab es am Freitag nochmals ein zähes Ringen. Am Ende wurde die Kreditobergrenze mit elf beziehungsweise 2,5 Millionen Euro knapp unterschritten.
Im Gemeinderat wurden zum Schluss auch offene Rechnungen aus den Vorberatungen beglichen. CDU und Freie Wähler monierten, die öko-soziale Mehrheit habe 40 Millionen Euro aus den Rücklagen für den geplanten Kauf des Wassernetzes entnommen. Damit wolle sie gewisse Investitionen ohne Rendite finanzieren. So werde getrickst, um Wünsche zu erfüllen und den Haushalt trotzdem genehmigungsfähig zu halten, klagte die CDU. Außerdem hätten Grüne und SPD damit die Zustimmung von SÖS/Linke zum Abbruch der Rathausgarage erkauft. Die SPD konterte: Die verbleibenden 110 Millionen Euro seien mehr als genug, um den Kauf des Wassernetzes mit Bankenhilfe zu finanzieren.
Die CDU kritisierte, Kuhns eigene Hausmacht verweigere ihm die beantragten Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuung. Wenn man jetzt pro Jahr 14 Millionen Euro weniger einsetze, verzichte man auf 400 Kitaplätze. SPD und Grüne bestritten das: Wie zu einem früheren Zeitpunkt bei den Schulsanierungen werde nur der Haushaltsansatz an die Wirklichkeit angepasst. Das beantragte Geld könnte gar nicht alles ausgegeben werden. Aus Vorjahren habe man noch 30 Millionen Euro, die nicht investiert werden konnten. Der Kita-Ausbau werde nur gestreckt, nicht gekürzt.