Unter dem Titel "Kopftuch unterm Bollenhut" sprach Ramazan Tasdele (vorne von links) mit Hans-Michael Uhl, Merican Durmus sowie dem Publikum. Foto: Jehle Foto: Schwarzwälder-Bote

Podiumsdiskussion "Kopftuch unterm Bollenhut" ist sehr gut besucht / Vorbehalte werden abgebaut

Von Evelyn Jehle Hausach. Fast zu klein war die Aula des Robert-Gerwig-Gymnasiums am Donnerstagabend, um die rund 80 Gäste zu fassen, die zur Podiumsdiskussion "Kopftuch unterm Bollenhut" gekommen waren. Pfarrer und Religionslehrer Hans-Michael Uhl hatte gemeinsam mit dem Förderverein der Schule Merican Durmus aus Zell und Ramazan Tasdelen aus Wolfach zur Gesprächsrunde eingeladen.

"Wir wollen wissen, ob es im schönen Schwarzwald, der durch den Bollenhut charakterisiert wird, auch Platz gibt für Leute, die ein Kopftuch tragen", eröffnete Uhl den Diskurs. Tasdelen kam 16-jährig aus wirtschaftlichen Gründen erstmals nach Deutschland. Der Sohn eines Kupferschmieds unterstützte die Familie finanziell, denn der Siegeszug des Plastikgeschirrs in die Küchen machte den Vater arbeitslos. Tasdelen, der damals kein Deutsch sprechen konnte, hielt sich seinerzeit illegal in Deutschland auf und arbeitete hauptsächlich in der Gastronomie. Nach dem Militärdienst in der Türkei kam er 1979 auf Umwegen wieder in die Bundesrepublik, engagiert sich nun seit vielen Jahren im FC Wolfach und war 14 Jahre mit einer Oberwolfacherin verheiratet.

"Meine Schwiegereltern waren tolerant und offen", erinnerte sich Tasdelen, der mittels Fernstudium die deutsche Sprache lernte und aufmerksam die Umgangsformen der Nachbarn beachtete, um keine Regeln zu verletzen. Die Kameradschaft im Fußballverein bedeutete ihm viel und es habe ihn aufgebaut, als ihm das Traineramt zugetraut wurde.

Merican Durmus ist 1975 in St. Georgen geboren, bezeichnet sich "zweiheimisch" statt "einheimisch", denn sie sei zweisprachig aufgewachsen in Wort und Kultur. Der Erziehungsstil sei traditionell gewesen. So habe der Vater nichts davon gehalten, dass Durmus das Gymnasium besuche und es bedurfte großer Fürsprache ihrer damaligen Lehrer, dass sie den Realschulabschluss machen konnte. Eine Berufsausbildung sei ihr aber nicht gestattet worden. Mit 19 Jahren heiratete Durmus in der Türkei den Mann, den die Eltern für sie bestimmt hatten. "Ich habe die Entscheidungen meiner Eltern nicht in Frage gestellt und akzeptierte, was der Vater wollte", erklärte Durmus, die heute Dialogbeauftragte für interreligiöse und interkulturelle Zusammenarbeit der Türkisch-Islamischen Gemeinde ist.

"Kopftuch sagt nichts über Gläubigkeit"

Mit dieser Biografie seien ja alle Stereotypen der türkischen Kultur hinsichtlich Frauen bedient und wie es sich damit lebe, wollte Uhl wissen. "Gut", antwortete Durmus entschieden. Auch weitere Fragen beantworteten Durmus und Tasdelen offen und freimütig. Beide überlassen ihren Kindern die Partner- und Berufswahl und stellen den Töchtern frei, ein Kopftuch zu tragen oder nicht. "Ein Kopftuch sagt nichts über die Gläubigkeit aus, sondern ist Teil meiner Kleidung", erläuterte Durmus, die als 13-Jährige das Kopftuch trug, weil der Vater es wollte, es heute aber aus eigener Überzeugung trägt. Das Kopftuch begleite die geschlechtsspezifische Rolle der Frau in der türkischen Kultur.

Keinen Unterschied zwischen türkischer oder deutscher Kultur habe sie in der Weitergabe von Werte und Traditionen in der Erziehung gemacht, sondern das vermittelt, was sie für richtig hielt, erzählte Durmus. Hierbei nannte sie stellvertretend den Respekt vor älteren Menschen in der türkischen Lebensweise und das Umweltbewusstsein der Deutschen, das sie sehr schätze.

Was die Gefühlswelt angehe, sehe sie sich als Türkin und empfinde die introvertierten Schwarzwälder als eher kühl. Angesprochen wurde auch, ob zu Hause türkisch gesprochen werde. "Würden Sie das auch einen Franzosen oder Engländer fragen?", erkundigte sich Durmus nach dem Motiv der Frage. "Ja", antwortete die Schülerin, denn sie würde sich freuen, zweisprachig aufzuwachsen. Tasdelen warf zum Vergnügen der Zuhörer ein, dass sie als Türken ja sogar dreisprachig wären, beziehe man den Dialekt mit ein.

"Wie ist das denn, wenn der Vorname deutsch anders ausgesprochen wird", wollte Uhl wissen. Durmus meinte, sie kenne es nicht anders, Merican von Türken in türkischer und von Deutschen in deutscher Phonetik zu hören.

"Treffen wie diese helfen, einander zu verstehen und Vorbehalte in beiden Richtungen abzubauen", beendete Uhl nach 90 Minuten die Diskussion. Aus den Fragen und Antworten kristallisierte sich heraus, dass zwar Gesetze die Voraussetzungen eines Zusammenlebens schaffen, doch Integration aus der funktionierenden Nachbarschaft heraus gelingt. Beispiele waren Tasdelens Geschichte des deutschen Kumpels, der ihm unentgeltlich beim Bodenlegen half und zwei Tage Urlaub dafür nahm oder die Weihnachtsbrötle der Nachbarin, auf die sich Merican Durmus jedes Jahr freute.