Der 88-jährige Zeitzeuge Gottfried Beck überlebte zwei Bombenangriffe. Foto: Dorn Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Der Zeitzeuge Gottfried Beck berichtet Schülern von Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg

Mit der Bombardierung durch englische und amerikanische Bomberstaffeln wurde 1944 der Zweite Weltkrieg nach Südbaden getragen. Der 88-jährige Zeitzeuge Gottfried Beck hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung daran lebendig zu halten.

Hausach. Beck besuchte in diesem Rahmen die Kaufmännischen Schulen Hausach. Die rund 90 Schüler der elften und zwölften Klassen des Wirtschaftsgymnasiums waren von ihren Geschichtslehrern auf den Besuch vorbereitet worden und hatten Beck vorab ihre Fragen zukommen lassen. "Das Verständnis für die Geschichte erwächst aus dem Reden über die Vergangenheit", stellte Schulleiterin Frauke Ebert Becks Ausführungen voran.

Beck hat zwei Bombardierungen überlebt, die erste am 10. Mai 1940, als deutsche Bombenflieger irrtümlich ihre Bombenlast statt über den französischen Städten Epinal und Dijon über Freiburg abwarfen. "Zehn Meter haben damals mein Leben entschieden", sagte er er und zur Verdeutlichung schritt Beck die Aula ihrer Breite nach ab. Er hatte im Hinterhof gespielt und die Bomben waren vor dem Gebäude explodiert.

Freiburg bleibt doch nicht verschont

Einem Wunder gleich überlebte Beck auch den Bombenangriff am Abend des 27. November 1944. Noch am Morgen hatten die Freiburger etwa 300 amerikanische Bomber im Formationsflug über den Dächern der Stadt fliegen sehen. Die Flotte übte für die Bombardierung Offenburgs am Nachmittag. Gegen Abend setzten englische Bomber allen Hoffnungen, Freiburg bliebe verschont, ein jähes und brutales Ende. Phosphorbomben verwandelten Menschen in lebende Fackeln, der Feuersturm verbrannte jeglichen Sauerstoff in der Luft. Wer nicht rechtzeitig aus den Luftschutzkellern der zerbombten Häuser flüchtete, starb den qualvollen Erstickungstod. Beck kam wieder mit dem Leben davon.

Im Herbst 1940 bat Becks Mutter ihn, einer alten Dame ihr Gepäck zum Bahnhof zu tragen. Am Bahnsteig drückte ihm die Frau zum Dank 50 Pfennige in die Hand, für damalige Verhältnisse ein Schatz, den es mit den zwei Geschwistern zu teilen galt. Wie teilt man 50 Pfennige durch drei? Diese Frage beschäftigte den damals Neunjährigen noch Tage nach jenem Oktobertag 1940. Das Wissen, dass er vermutlich einer jüdischen Mitbürgerin den Koffer zum Deportationszug ins Lager Gurs und damit in den sicheren Tod getragen hatte, lässt ihn nicht mehr los. "Diese Frage werde ich mit in mein Grab nehmen." Für einen kurzen Moment versagt dem 88-Jährigen die Stimme. Auch weiß er nicht, ob seine Mutter um die Deportation gewusst hatte und der Dame eine letzte Freude machen wollte. Im Nazi-Denunziationsstaat wurden politische Meinungen selbst innerhalb der Familie nicht geäußert.

Mit der zweiten "Kindergeschichte" beleuchtet Beck das deutsch-französische Verhältnis. Sie erzählt vom Familienhund "Franzmann", den sein Vater aus dem besetzten Frankreich mitgebracht hatte. Es hatte eine Weile gedauert, dem tierischen Spielkameraden deutsche Kommandos wie "Sitz" und "bei Fuß" anzuerziehen, dann erwies sich "Franzmann" als treuer Spielkamerad. Das Kriegsende erlebte die ausgebombte Familie in einer Flüchtlingsunterkunft in St. Märgen. Französische Soldaten verschenken Kaugummis an die Kinder, wenn diese für ein Erinnerungsfoto mit SS-Kopfbedeckung und Hitlergruß posieren. Hund "Franzmann" wurde seine französische Erziehung zum Verhängnis. Aus Freude, die französische Sprache zu hören, sprang Franzmann an einem französischen Soldaten hoch und wurde von diesem erschossen.

Becks Vater sprach mit seinen Kindern nie über die Zeit im Krieg. Dass mit Stalingrad der Wendepunkt erreicht war, bekam Beck auch als Kind mit. Vieles hat sich der zum Kriegsende 13 Jahre alte Zeitzeuge nach dem Krieg angelesen. Trotz oder wegen der jetzt schon 75 Jahre, die er Zeit hatte, das in der Kindheit Erlebte zu reflektieren, haben sich seine Geschichten ihre Frische und Authentizität erhalten. Die zwei Stunden in der Aula vergingen wie im Nu, mit großem Applaus verabschiedeten die Schüler den Zeitzeugen.

Wolfgang Borchert hat 1947 in seinem Drama "Draußen vor der Tür" über die Traumatisierung der Kriegsheimkehrer geschrieben. Die Kölner Band "BAP" packte das Thema in den 80er-Jahren mit dem Lied "Jupp" wieder an.