Rundgang durch Verbandskläranlage in Hausach
Ein bisschen riecht es schon nach Abwasser und die braune Brühe, die durch das Rohr in den Schacht in etwa drei Metern Tiefe brodelt ist ganz eindeutig alles andere als Trinkwasser. Der Geruch ist aber längst nicht so schlimm, wie man es in einer Kläranlage erwarten würde. Die Nase muss wohl nur der rümpfen, der noch nie ein verstopftes Wasserrohr erlebt hat. Was zum Vorschein kommt, als Abwassermeister André Niederberger die Klappe zu einer sich langsam drehenden Walze öffnet, verleitet schon eher zum Nase-Rümpfen: Die Maschine befördert das zu Tage, was die Menschen in der Umgebung die Toilette herunterspülen – aber auch einige Dinge, die dort keinesfalls hineingehören. Essensreste, Putzlappen, Damenbinden und einige Plastikteile werden von der Maschine bewegt und fallen dann einen Schacht hinunter. "Unglaublich, was die Leute alles ins Klo schmeißen", meint André Niederberger kopfschüttelnd.
Dabei hat die Verbandskläranlage in Hausach schon genug mit dem normalen Schmutzwasser zu tun. "5000 Kubikmeter Wasser laufen pro Tag durch die Anlage, ausgelegt ist sie auf die Versorgung von 34 000 Haushalten", erläutert Thorsten Gund, als er und André Niederberger in der "Leitzentrale" die Funktionsweise der Kläranlage zu erklären versuchen. Wohlgemerkt versuchen, denn die physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse, mit denen das Abwasser gereinigt wird, sind alles andere als simpel. Das bunte Schema an der Wand stellt die Vorgänge vereinfacht dar, aber dennoch wird die Komplexität der Anlage deutlich. Grob lässt sie sich in Schneckenpumpwerk, Rechenanlage, Sandfang, Vorklärbecken, Belebungs- und Nachklärbecken einteilen.
In der Realität sieht das Ganze etwas anders aus, vor allem größer. Zumindest dominieren aber auch in Wirklichkeit die Farben grau, blau und braun. Das braune Abwasser wird vom Schneckenhebwerk als eine sich drehende Spirale aufwärts befördert und fließt durch die Rechenanlage, das grobe Partikel aus dem Wasser filtert – Papier, Flaschen, Äste und anderes. "Alles was größer als fünf Millimeter ist", wie Niederberger erklärt. Etwa 60 Tonnen Rechengut kommen auf diese Weise pro Jahr zusammen. Im Sand- und Fettfang verbreitet sich der Abflusskanal, wodurch die Fließgeschwindigkeit des Abwassers abnimmt und grobe Sinkstoffe wie Kies und Sand sich am Boden ablagern und beseitigt werden können.
Das Fett schwimmt in einen beruhigten Beckenabschnitt auf, wird dort mittels eines Räumers abgezogen und in den Faulbehälter gepumpt. Die Mitarbeiter des Klärwerks bezeichnen dieses an eine Amphore erinnernde Gebäude aber gerne auch als "Bioreaktor", in dem Bakterien bei 38 Grad Methangas produzieren. Denn dieses Gas verwendet die Kläranlage zur Energiegewinnung. Es treibt zwei Generatoren mit 90 und 54 Kilowatt an, die Strom erzeugen. 65 bis 75 Prozent des Eigenbedarfs an Strom kann die Kläranlage damit decken. Den Rest bezieht sie von einem Stromanbieter.
In dem auf die Rechenanlage folgenden Vorklärbecken zeigt sich, dass das Rechensystem nicht ganz einwandfrei funktioniert. In Rudeln treiben Dutzende von Wattestäbchen auf der Wasseroberfläche. Auch das kommentiert André Niederberger mit einem Kopfschütteln: "Wattestäbchen sind ein echtes Problem für uns. Aufgrund ihrer Größe und Struktur rutschen sie durch den Rechen. Aber sie gehören genau wie Damen-Hygiene-Artikel ja eigentlich auch nicht ins Klo". In dem Vorklärbecken wird das Wasser etwa eine Stunden zurückgehalten. In dieser Zeit setzen sich die feinen Schwimm- und Schwebstoffe als Schlamm am Boden ab Dieser Schlamm wird abgesaugt, eingedickt und kommt dann ebenfalls in den Faulturm.
In den folgenden Becken arbeiten Mikroorganismen, zum Teil unter dem Einfluss von Sauerstoff. In einem Belebungsbecken wird durch die Zufuhr von Sauerstoff ein Paradies für Kleinstlebewesen – hauptsächlich Bakterien – geschaffen.
Bakterien "fressen" Abwasserstoffe
Sie "fressen" organische Abwasserstoffe und wandeln sie in anorganische Verbindungen wie Kohlendioxid, Wasser und Salze um. Dabei entsteht Schlamm. Im Nachklärbecken sinken die Schlammflocken zu Boden und werden entweder noch einmal in das Belebungsbecken zurückgepumpt oder in einen sogenannten Eindicker befördert.
"Wir versuchen hier alles zu verwenden", sagt Niederberger. So wird beispielsweise der in Toilettenpapier enthaltene Kohlenstoff herausgefiltert, gepresst und dient dann den Bakterien der Kläranlage als Nahrung. Alles, was nicht irgendwie noch für irgend etwas gebraucht werden kann, wird verbrannt.
Aber nicht nur Mikroorganismen kommen zum Einsatz. Auch chemische Reaktionen werden benötigt, um Stickstoffverbindungen zu entfernen und aus Abwasser klares, sauberes Wasser zu machen. Das gereinigte Wasser wird in die Kinzig geleitet.
Um sicher zu stellen, dass es am Ende so sauber wie möglich ist, wird es 24 Stunden pro Tag überwacht. Mehrere über die Anlage verteilte Messstationen kontrollieren alle wichtigen Werte. Was sie nicht kontrollieren können, ist der Medikamentengehalt im Wasser. "Das wird auch immer mehr zu einem Problem", meint André Niederberger. "Die Leute scheiden Medikamente, die sie zu sich genommen haben, aus und das geht dann natürlich ins Abwasser. Das kriegen wir nicht raus. Noch nicht. Die Technik macht immer größere Fortschritte." Insgesamt würden die Anforderungen an Kläranlagen immer größer, weswegen Fortbildungen zum Pflichtprogramm für Mitarbeiter in Klärwerken gehören.
Aber nicht nur um das Wasser in der Kläranlage kümmern sich die vier Mitarbeiter des Verbandsklärwerks in Hausach: Mitten auf den Gelände, zwischen sprudelnden Abwasserbecken und arbeitenden Mikroorganismen, ruht friedlich ein kleiner Teich. "Das ist unser Biotop. Fast jede Kläranlage hat so einen Teich", sagt Niederberger. Warum das so ist, kann er nur mit einen Schulterzucken beantworten: "Den haben wir zum Spaß, für uns." Zeit haben er und seine Kollegen für das Biotop allerdings kaum. So kompliziert die Funktionsweise der Verbandskläranlage in Hausach ist, so arbeitsreich ist auch der Alltag der Mitarbeiter. "Wir haben hier immer viel zu tun", sagt Thorsten Gund. Charlotte Reinhard