Der Hausacher Stadtschreiber Thorsten Nesch ist glücklich, wenn er schreiben kann. Im Molerhiisli wird er noch bis Mitte Januar leben und arbeiten, dann geht’s zur Familie nach Kanada. Foto: Möller

Erste Veranstaltung ist am 7. Dezember. Schreibtischbesuch bei Jugendbuch-Autor Thorsten Nesch im Molerhiisli.      

Hausach - Der aktuelle Hausacher Stadtschreiber Thorsten Nesch wird am Sonntag, 7. Dezember, um 16 Uhr um 19.30 Uhr im Sitzungssaal des Rathauses seine Antrittslesung halten. Der Schwarzwälder Bote hat dem Jugendbuchautor im Molerhiisli einen Schreibtischbesuch abgestattet.

Die rote Gitarre lehnt lässig in der Ecke, ein Raumteiler verbirgt die Küche in der Stipendiatenwohnung. Hier im Gartengeschoss des Hausacher Molerhiisli arbeitet der Leselenz-Stipendiat Thorsten Nesch derzeit an einem Jugendbuch. Buchreihen, Notizen, der Laptop stehen auf dem Schreibtisch griffbereit.

"Bei mir braucht es relativ lang bis zu dem Kick, der die Idee zur Geschichte hebt", erklärt der 45-jährige Autor. Deshalb recherchiert er während dem Schreibprozess eines Buches immer auch zwei nächstmögliche Ideen an – bis "der Tisch einen Meter hoch gefüllt ist mit Büchern, Artikeln und mehr". Welcher Stapel den Zuschlag bekommt, hängt bei Nesch davon ab, welche Stimmung er vermutlich in den nächsten drei Monaten haben wird.

Die Geschichte notiert er bis zum Schluss in Kurzsätzen wie "Jana und Tarek klauen das Auto" entlang eines Zeitstrahls. Auf dieser berghohen Basis und wenn er Figuren und Erzählstimme gefunden hat, legt er los: die erste Fassung eines 220 Seiten-Schinkens schreibt er dann in 19 Tagen durch. 500 bis 600 Seiten kommen so pro Jahr zusammen, das sind bei Nesch etwa zwei bis drei Romane.

"Ich muss einfach schreiben", betont er. Begonnen damit hat der 1968 in Solingen geborene Nesch im Alter von 14 Jahren während seiner Gymnasialzeit in Leverkusen. Ganze Schulhefte hat er damals mit Prosa und Kurzgeschichten gefüllt.

Nach einer Woche nachdenken war klar: "Ich will schreiben."

Nach dem Abitur 1989 machte er erstmal eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten – doch etwas fehlte, fast zum Stillstand war damals sein Schreiben gekommen. Mit dem Zivildienst begann er wieder damit und alles hat plötzlich mehr Sinn für ihn. Bis mit fortschreitendem Geografiestudium die Zeit zum Schreiben immer knapper wurde.

Eine Eintscheidungs-Woche lang dachte der damals 24-jährige Nesch nach, dann war ihm klar: "Ich will schreiben." Die dafür nötige Zeit erarbeitete er sich zunächst mit Kellnern und Pizza-Ausfahren, dann mit einem Job in einer CD-Abteilung eines Elektronikmarkts und schließlich beim Radio und für eine Kulturzeitung. 1998 reiste er dann nach Kanada, wo er seine Frau kennenlernte und – abgesehen von einer kurzen Hochzeits-Visite in Deutschland – bis 2003 blieb, schrieb und schließlich in der Filmbranche arbeitete.

Zurück in Deutschland setzte er als Dozent für Film und Radio das Erlernte um – bis 2008 sein Debüt-Roman "Joy-Ride Ost" vom Rowohlt-Verlag angenommen, dann als bestes Jugendbuch des Jahres nominiert wurde und schließlich 2010 rauskam. Seither kann er seine Familie mit mittlerweile drei Kindern mit seiner Arbeit und konstant wachsenden Werk mit Lesereisen, Hörspielen und Drehbüchern ernähren. Inklusive des aktuellen Umzugs nach Kanada, wohin Nesch der Frau und Kindern nach seiner Stipendiatszeit Mitte Januar nachreisen wird.

Doch zuvor arbeitet der Stadtschreiber derzeit in Hausach – und übernimmt dadurch auch erstmals eine Poetik-Dozentur an der Hochschule in Karlsruhe. Im Molerhiisli legt er früh morgens ab 6.30 Uhr los und schreibt in drei bis vier Schreibschichten à zweieinhalb Stunden bis abends an einem Buch für junge Erwachsene. Mehr möchte er zum Inhalt nicht sagen. Über den Schreibprozess verrät er, dass er neben dem Tippen in den Laptop oder dem Schreiben von Hand seinen ersten Texte oft auch über ein Mikrofon "einspricht". Ein Spracherkennungsprogramm verschriftlicht seine Worte dann. In den Schreibpausen spielt er Gitarre – das ist seine "Ausgleichskunst".

Ist die erste Fassung fertig, überarbeitet er den Ausdruck, korrigiert und legt das Manuskript dann noch einmal für mehrere Tage zur Seite. Mit Abstand liest er noch ein letztes Mal Korrektur, bevor die vorläufige Endversion zwei oder drei seiner sieben bis acht Erstleser bekommen. Nach einer weiteren Überarbeitung geht das Manuskript dann zu Lektor und Verlag. Es scheint eine Sisyphusarbeit. Doch für Nesch kommt keine andere mehr in Frage. Er weiß: "Ich mach’ hier, was ich bin."