Der zweite Teil des diesjährigen Leselenz ist mit der Preisverleihung des Leselenz-Preises der Thumm-Stiftung für junge Literatur eröffnet worden: José Oliver (von links), Doris Sistiaga-Thumm, Nadja Budde, Ulrike Wörner und Bürgermeister Wolfgang Hermann. Foto: Störr

Kultur: Leselenz-Preise der Thumm-Stiftung für junge Literatur an Nadja Budde vergeben

Hausach - Der zweite Teil des Hausacher Leselenzes hat mit der Verleihung des Leselenz-Preises der Thumm-Stiftung für junge Literatur begonnen. Der Festakt für Nadia Budde wurde mit Ansprachen, Spoken-Word-Auftritten und einer Lesung gestaltet.

Festivalleiter und Kurator José Oliver begrüßte zum nicht ganz offiziellen Auftakt des Leselenzes, weil sich bereits seit Donnerstag die Spoken-Word-Dichter im Hausacher Rathaus in Klausur befinden. "Um für sich eine Poetik zu entwickeln und zu definieren", erklärte Oliver. Er sei nachmittags kurz dort gewesen und wäre vom feinen Tiefsinn beeindruckt gewesen. "Mir fehlen noch die Worte, um das zu beschreiben."

Ein ganz besonderer Willkommensgruß galt unter anderem Ulrike Wörner als stellvertretender Festival-Leiterin. Mit ihr gemeinsam verlas José Oliver die Laudatio von Arne Rautenberg, der nicht selbst anwesend sein konnte.

Dabei wurden zwei Strömungen im belletristischen Kinderbuch-Segment unterschieden. Die aus der Sicht des Erwachsenen das Erwartbare ausbreiten würde und diejenige, die statt versiegelter Normflächen im Kopf für Kraut und Rüben sorgen würde. "Nadja Buddes Wirken gehört in die zweitgenannte Rubrik. Ich spreche von Kunst", verlas Oliver. Letztlich gehe es in aller Kunst darum, kleine Blitzschläge des Selberdenkens zu ermöglichen. Budde würde nicht prosaisch vieles vorkauen, sondern poetisch vieles offen lassen.

"In den Büchern gibt es bei aller knapp gesetzten Episodenhaftigkeit auch so etwas wie einen großen Bogen, eine Message", zitierte Ulrike Wörner. Viel lieber werfe Nadja Budde aber nach eigener Aussage dem Betrachter kleine Bröckchen hin, über die er sich im Moment amüsieren könne. Sie komme von den Rändern und rücke das am Rande liegende in den Fokus, verleihe ihm Aufmerksamkeit, Größe und Würde. Sie gebe den per se aus dem Raster der Wohlfühl-Gesellschaft Gefallene ein Antlitz mit Ausdruck und stelle im Hässlichen das Menschliche heraus.

Eine Partnerschaft – auch von Text und Bild – sei stets eine Mischkalkulation, man bekomme vieles und verzichte auf manches, es gehe um Austausch und Wachstum. Nadja Budde erscheine als moderne Emblematikerin, sie sei eine Meisterin von Doppelseite und Zweizeiler.

Den ebenso knappen wie souveränen Sprachumgang spüre man sofort, über Wort-Neuschöpfungen würden Assoziationen stimuliert um ein erweitertes Bewusstsein der Wirklichkeit zu vermitteln. In Nadja Buddes poetischen Text- und Bilderwelten hätten struppige Persönlichkeiten ihren großen Auftritt und würden daran erinnern, dass man auch die eigene Selbstständigkeit immer wieder im Auge behalten sollte.

Bürgermeister Wolfgang Hermann erzählte aus seiner jüngsten familiären Erfahrung im Umgang mit Gute-Nacht-Geschichten und deren Bedeutung. "Wir müssen unseren Kindern die Worte zuführen", forderte er im Hinblick auf die heutige elektronische und digitale Reizüberflutung.

Stiftungsvorsitzende Doris Sistiaga-Thumm erklärte im Gespräch mit José Oliver den Ursprung der Thumm-Stiftung und die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Arbeit. Ulrike Wörner leitete mit der Verlesung der Jury-Begründung (siehe www.leslenz.de) zur eigentlichen Verleihung des mit 5 000 Euro dotierten Leselenz-Preises über. Umrahmt wurde der Festakt von Tanasgol Sabbagh und Dean Ruddock, die erste Kostproben des Spoken-Word gaben, das am Samstag im Mittelpunkt der Veranstaltungen stand.

Ihrer Mini-Lesung stellte die Preisträgerin eine längere Dankes-Rede voran, in der sich auch die "Kaffee-Bringer und Frischluft-Spender" nicht vergaß. In der Laudatio sei vieles angesprochen worden, was sie als Anspruch an ihre Arbeit habe. "Trotz aller Intuition ist mir die Suche nach dem Wesentlichen besonders wichtig", erklärte Nadja Budde. Die Knappheit und das Herunterbrechen seien aber auch ein Aspekt, mit dem sie oft hadere. Sie produziere sehr viel, bevor sich etwas in einer Arbeit verdichte, das als Fragment bliebe und Raum lasse. "Dass das erkannt wurde ist ein Ritterschlag, den Preis zu gewinnen macht Mut", bedankte sie sich. "Ich fühle mich geehrt in diesem Kreis." Ihre erste Lesung nach dem langen Corona-Stillstand stellte sie dann unter das Motto eines ihrer Illustrationen: "Wer sich trifft – hat´s gut!"