Der Dichter rezitierte eine Auswahl von Werken aus seinem Erstling "Enterhilfe fürs Universum" und dem im Februar erschienen Band "Ab hier nur Schriften". Foto: Jehle Foto: Schwarzwälder Bote

Literatur: Abschiedslesung von Stadtschreiber Timo Brandt / In Hausacher zu ruhiger Arbeistweise gefunden

In den drei Monaten in Hausach ist Stadtschreiber Timo Brandt in eine ruhige Form des Arbeitens hineingekommen, die der Großstädter in seinem Leben so noch nie hatte. In seiner Abschiedslesung erzählte er von seinem Aufenthalt.

Hausach. "Es ist richtig gut gelaufen", beantwortete Brandt die Frage von Leselenz-Kurator José F. A.Oliver nach dem Arbeitsleben im Molerhiisle. Die so noch nie erfahrene Ruhe in der Form des Arbeitens habe ihn in Einklang mit dem Schreiben gebracht. "Ich bin sehr glücklich über die Gedichte, die in Hausach entstanden sind", fasste Brandt zusammen. Auch habe er mindestens 150 Texte seiner Notizbücher gesichtet und bearbeitet. Weiterhin sind um die 200 Seiten Prosa entstanden. "Ich bin aber mit keiner davon zufrieden und nenne die Arbeit den unzufriedenen Roman", spöttelte der Dichter über sich selbst.

Auch früheren Anläufen, einen Roman zu schreiben, ging es ähnlich: "Entweder war der Schwung schnell raus oder ich musste Geld verdienen oder es war sonst irgendwas". Brandt ist ein Vielleser und auch als Rezensent hauptsächlich in Online-Kanälen unterwegs. "Ein Gedicht muss sich Fragen stellen und Kritik gehört zum Prozess der Texterschließung", findet der 27-Jährige.

Früher habe er die Begriffe Kritiker und Rezensent als Synonym verwendet, doch heute bevorzuge er "Rezensent". Es gehe nicht darum, das Buch in eine Rangliste zu bringen oder Autoren darauf hinzuweisen, was besser sein könnte. "Das weiß ich eh nicht", konstatierte Brandt. Sein Anliegen sei eher, die Qualitäten herauszuarbeiten. "Wie schaffst du das, so viele literarische Fundstücke ins Netz zu stellen?", wunderte sich Oliver und fragte, ob Brandt sechs Stunden Lyrik lese und anschließend die Rezensionen schreibe. Das habe viel mit Leidenschaft zu tun, meinte der Dichter. Im Schreiben über das Gelesene denke er noch einmal darüber nach.

Oliver hakte nach, wie die Rezeption von Lektüre seine eigene Arbeit inspiriere und in welcher Form. "Meine Gedichte korrespondieren mit dem Gelesenen", erwiderte Brandt. Dichten und Rezensieren unterschieden sich komplett, doch in der suchenden Bewegung darin bestehe eine gewisse Ähnlichkeit. Mit 15 Jahren habe er die Lyrikbände von Nelly Sachs gelesen, die seiner Mutter gehörten. "Es war, wie einen Zug in Zeitlupe entgleisen zu sehen", erinnerte sich Brandt.

Für jene, die zur Abschiedslesung ins Rathaus gekommen waren, rezitierte der Dichter eine Auswahl von Werken aus seinem Erstling "Enterhilfe fürs Universum" und dem im Februar erschienen Band "Ab hier nur Schriften". Außerdem konnten die Zuhörer einige bisher unveröffentlichte Gedichte mit nach Hause nehmen. Darunter war die amüsante Betrachtung des Schriftstellers von Hausacher "Rowdys", einer Horde Spatzen, die am Molerhiisle als Vandalen ihr Unwesen trieben und dem Dichter hörbar Pläsier bereiteten.

"Ich bin beseelt, insofern die Entscheidung für die Vergabe des Stipendiums seinerzeit an Timo Brandt fiel", hatte Oliver eingangs die Gäste begrüßt. Die von ihm eingereichten drei Verse seien lange in der Jury diskutiert worden. Am Mittwoch ist Timo Brandt in seine Wahlheimat Wien zurückgekehrt.

Der gebürtige Düsseldorfer Timo Brandt ist in Hamburg aufgewachsen. Seit 2014 studiert der Lyriker am Institut für Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien. In den Onlinemedien fixpoetry.com und signaturen-magazin.de sowie in den Print-Medien Zwischenwelt, Kolik sowie Literatur und Kritik bespricht Brandt aktuell publizierte Bücher. Von Brandt bisher erschienen ist der Gedichtband "Enterhilfe fürs Universum" (edition offenes feld) und "Ab hier nur Schriften" (APHAIA Verlag).