Ina und Manuél leiten gemeinsam das Projekt, bei dem es um soziale Nachhaltigkeit geht. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Auslandstagebuch: Charlotte Auel berichtet über das Umwelt- und Sozialprojekt "Casita de Barro"

Die Hausacherin Charlotte Auel ist seit August vergangenen Jahres in Mexiko und arbeitet dort als Freiwillige des Roten Kreuzes im Casa del Àngeles in Puebla. Im siebten Teil ihres Auslandstagebuchs berichtet sie über das Projekt "Casita de Barro".

Hausach/Puebla. Kürzlich ging es für uns DRK-Freiwillige zu einem Monatstreffen in das kleine Dorf San Jerónimo Tecuanipan am Fuße des Vulkans Popocatépetl. Dort angekommen wurden wir herzlich von Manuél und seiner belgischen Ehefrau Ina empfangen. Gemeinsam leiten sie das Umwelt- und Sozialprojekt "Casita de Barro" (deutsch: "Haus aus Lehm").

Schon im ersten Moment fühle ich mich wie in einem kleinen Paradies: ein großer Garten mit liebevoll angelegten Gemüsebeeten und einem freien Blick auf den mächtigen Vulkan. Hinter Inas und Manuéls Projekt steckt aber noch viel mehr. Bei einer Rundführung zeigt uns Manuél das Wohnhaus. Es handelt sich um ein mit Holzbalken versetztes Lehmhaus, das gemütlich und kreativ – dabei immer auf nachhaltige Weise – eingerichtet ist. So wurden für die Türen Abfallhölzer verwendet und in die Lehmwände leere Glasflaschen eingearbeitet, was einen stilvollen Effekt hat.

Das Herzstück des Hauses ist das "baño seco" (deutsch: "Trockentoilette"). Das bedeutet, dass es kein Wasser zum Herunterspülen der Hinterlassenschaften benötigt. Trotz des fehlenden Abflusses stinkt es nicht. Manuél erklärt uns, dass der Trick darin besteht Urin und Stuhlgang zu trennen. Zusätzlich wird über den Stuhlgang Sägemehl gestreut, was den Gestank nochmal vermindert. Auf dem Grundstück gibt es ein weiteres "baño seco", das sich direkt unter einem Avocadobaum befindet. Lange Zeit trug der Baum keine Früchte mehr, doch seitdem regelmäßig Urin in die Wurzeln gelangt, kann man wieder Avocados ernten und genießen. So bekamen die magischen Avocados (spanisch: "aguacate" allerlei Spitznamen zu geschrieben, wie zum Beispiel "acacauate".

Projekt steht unter dem Motto der Nachhaltigkeit

Weiter geht unsere Führung in ein zweites Lehmhaus mit einem wunderschönen Fliesenboden. "Diese Fliesen", erzählt uns Ina, "habe ich alle im Abfall gefunden. Oft werden an mexikanischen Baustellen Überreste einfach am Straßenrand liegengelassen." Der ganze Raum ist voller Bücher und Spiele, denn dieser fungiert als Schule für die Kinder des Dorfes. Es gibt sogar ein eigens zum Lesen angefertigtes Baumhaus.

Im Projekt "Casita de Barro" steht alles unter dem Motto der Nachhaltigkeit. Damit ist aber nicht nur die ökologische, sondern vor allem die soziale Nachhaltigkeit gemeint. Laut dem Programm "NicanCalli", das sich für die Verbesserung der Lebensqualität in Tecuanipan einsetzt und eng mit Ina und Manuél zusammenarbeitet, haben in Mexiko acht von zehn Kindern aus ländlichen Regionen keinen Zugang zur Grundschule. Wissenschaftlichen Erhebungen zufolge erhalten zwischen 50 und 75 Prozent der Familien finanzielle Unterstützung von Familienmitgliedern aus den USA. Ina und Manuél sind davon überzeugt, dass eine gute Bildung der Schlüssel zu einem möglichen und hochwertigen Leben auf dem Land ist und die Auswanderung bremst.

Der Unterricht in der Schule zielt vor allem auf die Wertschätzung der indigenen Identität und soll den Kindern Alternativen und Perspektiven mit Blick auf ein gerechtes Leben auf dem Land eröffnen. Durch viele praktische Aktivitäten werden Lernprozesse beschleunigt und Alternativen greifbarer. Wie es Ina und Manuél selber zeigen: Für ein hochwertiges und gleichzeitig nachhaltiges Leben ist nicht viel Geld nötig.

Auch steht das Ehepaar in engem Kontakt mit Universitäten der Stadt Puebla und führt regelmäßig gemeinsam mit Bewohnern des Dorfes Projekte durch. Beim regionalen Abendessen, gekocht von der Nachbarin, erzählen uns die beiden mehr von ihrem Leben. Sie studierte Kunstgeschichte und Anthropologie, er ist Grafikdesigner und machte seinen Master in Bildungswissenschaft. Ihr Entschluss, das "Casita de Barro" zu bauen, fiel mit der Entscheidung überein, sich in ein Dorf mit hoher Auswanderungsrate zu integrieren und das Leben auf dem Land besser zu verstehen.

Lange Tradition im Lehmziegelbau

Die Region ist reich an Lehm und besitzt eine lange Tradition im Lehmziegelbau. So erschien es ihnen nur logisch, den Zugang zu dem billigen Baustoff zu nutzen. Seither wächst ihr Projekt Stück für Stück. "Es ist manchmal frustrierend", erläutert mir Ina, "wenn man sieht, wie wenig Umweltbewusstsein es in Mexiko gibt und wie wenig Bemühungen diesbezüglich vom Staat kommen. Es muss viel aus Eigeninitiative geschehen". Somit ist das Projekt eher ein Tropfen auf dem heißen Stein. In diesem Punkt haben mich Ina und Manuél am meisten inspiriert. Ina sagte zu mir: "Ich kann die Welt nicht verändern, aber ich kann meine Welt verändern." Die beiden zeigen, dass man auch als einzelne Person ein bedeutendes Zeichen setzen kann.

Am nächsten Morgen dürfen wir selber ans Werk und mit Lehmziegeln bauen sowie mexikanische Maistortillas herstellen. Nach einer kleinen Wanderung geht die Zeit leider viel zu schnell zu Ende.

Wer sich näher für das Projekt "Casita de Barro" interessiert, findet weitere Informationen im Internet unter www.casitadebarro.com oder auf der Facebookseite "Casita de Barro".