Odile Kennel rezitierte aus den Werken des französischen Dichters Jacques Darras. Foto: Jehle Foto: Schwarzwälder Bote

Die französische Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg zeigt sich auch in

Die französische Erinnerungskultur an den Ersten Weltkrieg zeigt sich auch in Hausachs Partnerstadt Arbois. Gerne kamen die Kinzigtäler dem Wunsch der Franzosen nach, dem 100. Jahrestag des Kriegsendes gemeinsam zu gedenken.

Der französische Dichter, Essayist und Übersetzer Jacques Darras ist Jahrgang 1939. Er lehrte nach seinem Studium in Schottland bis 2004 an der Universität der Picardie englische und US-amerikanische Dichtung.

Odile Kennel lebt als Autorin und Lyrikübersetzerin aus dem Französischen und Portugiesischen in Berlin. Sie debütierte 2005 mit der Übersetzung des luxemburgischen Dichters Jean Portante. Sie war 2013 Hausacher Stadtschreiberin.

Der ehemalige Lehrer am RGG-Gymnasium in Hausach, Helmut Neerfeld lebt in Hofstetten. Er ist weit über die Raumschaft hinaus bekannt durch seine Auftritte mit dem Akkordeon und eine feste Größe im hiesigen kulturellen Geschehen.

Hausach. Angela Menke, Vorsitzende vom Hausacher Partnerschaftsausschuss, konnte die Lyrikerin Odile Kennel für eine Lesung des französischen Dichters Jacques Darras gewinnen.

Ausgesprochen bereichert wurde der Abend durch Akkordeonist Helmut Neerfeld, der mit Kompositionen von Astor Piazzolla in einen einfühlsamen musikalischen Dialog mit den Texten trat.

Jacques Darras setzt sich mit Flächenbrand auseinander

In seinem Buch mit dem sperrigen Titel "Endlich raus aus dem Wald. 1914 noch einmal von vorne. Ein rasendes Thesengedicht" setzt sich Darras mit dem europäischen Flächenbrand Anfang des 20. Jahrhunderts lyrisch auseinander.

In "Was ich nicht verstehe aus 100 Jahren Entfernung" will ein stakkatohaftes Hinterfragen, das an Kugelhagel erinnert, wissen, wie sich Millionen Europäer derart instrumentalisieren lassen konnten. Stilistisch herausstechend ist der stete Wechsel zwischen Anklage, Reflexion und Sarkasmus. Die eigenwillig komponierte Poesie des weit über 100 Seiten währenden Langgedichts forderte den Zuhörern einiges ab.

"Friedenserklärung ist Schwäche/ Erklärung verlangt Beweise/im Fall Jesu ein Kreuz/im Fall Krieg massenhaft Kreuze/um was zu belegen?".

Grundlage des Werks von Darras ist sein vermisster Großvater Édouard, der 1914 erst 27-jährig im Bois de la Gruerie als junger Soldat fiel. Die Beschreibung eines Familienfotos geht unter die Haut: Es bleibt bei diesem ersten und letzten Porträt. Sein Großvater konnte nie beerdigt werden.

10 000 nicht identifizierte Männer im Massengrab

Ein Besuch der Massengrabfelder verstört Darras, denn unter der Grabplatte liegen 10 000 nicht identifizierte Männer. Seine persönliche Geschichte und die kollektive Historie vermischen sich. "Für sie beten bringt nichts, beten wir lieber für uns selber", schlussfolgert er.

Die Frage, ob es gewagt werden kann, den Krieg aus "Dada-Sicht" zu betrachten, bejaht der Dichter vorbehaltlos. (Dadaismus war eine Kunstströmung jener Zeit und wandte sich gegen die verlogenen Ideale und Werte der Gesellschaft, die den Krieg herbeigeführt und ermöglicht hatten).

Fünf Jahre arbeitete Kennel an der Übersetzung des Werks. Sie reiste in das Dorf im Norden von Paris, in dem Darras lebt und hat die Zusammenarbeit ihren Worten nach sehr genossen. Kennel ist es gelungen, in der Übersetzung zu übertragen, was gemeint ist und das geht weit über Sprache an sich hinaus.

Odile Kennel liest im Wechsel deutsche und französische Passagen

"Das kann nur ein Dichter", bewunderte Menke in ihrem Dank an die Lyrikerin. Ihre im Wechsel französische und anschließend deutsche Rezitation schlug in den Bann und erntete verdienten großen Applaus. Mit einer Passage aus Darras’ Band "Ode an den Champagner", der "Urgeschichte in flüssiger Form, die durch die Zeiten segelt", endete die außergewöhnliche Lesung.

Am Samstag reiste eine Hausacher Abordnung mit Kennel und Neerfeld nach Arbois (wir haben berichtet). Dort gesellte sich auch der französische Dichter Darras bei der Lesung hinzu – ein sicher denkwürdiges Zusammentreffen großartiger Künstler in der Partnerstadt Hausachs.