Serie: Redakteurin begleitet Altenpfleger im Hausacher Seniorenzentrum während der Frühschicht

Bloß nicht ins Heim! Das wünschen sich die meisten Menschen für ihren Lebensabend. Viele Senioren berichten stolz, wie sie ihren Alltag bis ins hohe Alter zu Hause meistern oder Angehörige betonen, dass sie die pflegebedürftige Mama oder den gebrechlichen Papa auf jeden Fall zu sich nehmen werden, wenn sie nicht mehr alleine klar kommen. Ins Altenheim? Für viele eine Horrorvorstellung. Und dennoch – oder gerade deswegen? – sind Pflegenotstand, Pflegekrise, Pflegekräftemangel Themen, die in der Politik immer wieder heiß diskutiert werden. Doch wie ist es in den Heimen? Wie leben die Senioren dort und ist der Beruf des Altenpflegers tatsächlich so schwierig und belastend, wie die meisten Menschen denken?

Ich werde heute einen Tag als Altenpfleger verbringen und mir während der Frühschicht ein eigenes Bild machen. Von Hilda Roth, der stellvertretenden Pflegedienstleitung und Qualitätsbeauftragten des Hausacher Seniorenzentrums, bekomme ich einen orangenen Kittel und eine Flasche Desinfektionsmittel ausgehändigt, bevor es zur ersten Bewohnerin geht. Die Morgenrunde steht an. Die Senioren werden gewaschen, angezogen und fürs Frühstück fertig gemacht.

Roth hat bei der Seniorin schon die Intimwäsche gemacht, danach konnte die Dame noch ein bisschen "pfuddeln", also Liegenbleiben und dösen. "Wichtig ist, dass wir anklopfen, bevor wir das Zimmer betreten", erklärt Roth. Die Privatsphäre der Bewohner soll geachtet werden. Die Dame, die das helle und in Gelbtönen gehaltene Zimmer bewohnt, ist nun wach und bereit, aufzustehen. Roth wäscht sie, cremt sie ein und hilft ihr, sich anzuziehen. Die Dame braucht dabei zwar Unterstützung, aber auf den Mund gefallen ist sie nicht. Zähneputzen kann sie selber. "Aber da halten wir uns heute nicht so lange mit auf", findet sie angesichts des bevorstehenden Frühstücks.

Als wir den Raum betreten haben, habe ich einen kurzen Blick auf die Uhr geworfen. Es war kurz vor neun Uhr. Als wir uns mit der Dame auf den Weg zum Frühstück machen, stelle ich verblüfft fest, dass halb zehn schon vorbei ist. Von meinem Gefühl her haben wir nicht mehr als zehn Minuten gebraucht.

"1992 kam die Minutenpflege auf, bei der die Pflege behandelt wurde wie eine Industrie", berichtet Roth. Der Aufwand wurde nach Minuten beurteilt. "Aber da hat man schnell gemerkt, dass man da nicht weiter kommt". Das Pflegestärkungsgesetz von 2017 schaffte das ab und führte stattdessen einen Pflegebedürftigkeitsbegriff ein. Bei diesem sollten körperliche sowie geistige und seelische Defizite berücksichtigt werden.

Gegen 10 Uhr sind die meisten Bewohner versorgt und frühstücken. Noch gibt es für die Pfleger aber noch keine Pause. Frisch gewaschene Wäsche muss sortiert und verräumt werden. Mir wird erklärt, wo was hin kommt. Ich bin schnell überfordert und während alle wie ein Uhrwerk hierhin und dorthin laufen, schaffe ich es nur, im Weg zu stehen.

Als das Wäsche-Konzert vorüber ist, muss sich Roth um die Dokumentation kümmern. Sie notiert minutiös in eine dicke Mappe, was sie am Morgen bei jedem Bewohner vorgenommen hat.

Dokumentation nimmt viel Zeit in Anspruch

In dieser steht alles Wichtige – von den Medikamenten, die er bekommt, über sein Gewicht bis zu dem Vorhandensein einer Patientenverfügung. Quasi alles wird dokumentiert. Das nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Mindestens ein Drittel der Pflegezeit nehme das in Anspruch, schätzt Heimleiter Dietmar Haas.

Dann ist Zeit für eine kleine Pause, während die Bewohner frühstücken und von den Hauswirtschafterinnen versorgt werden. Zwei Frauen sitzen zusammen am Tisch, eine liest Zeitung. Die andere, eine kleine, zarte Dame, fragt wiederholt nach ihrer Mama. Als Roth die Frau fragt, wie es ihr geht, lächelt diese und sagte: "Gut, ich bin zufrieden."

"Das sind die typischen Stereotype einer Demenz", klärt Franziska Holderer mich auf. "Manche sagen ständig ›Hallo‹, andere klopfen auf den Tisch." Belastet sie es, so etwas zu sehen? "Wenn man das nicht zu sehr an sich heranlässt, geht das. Ansonsten steige ich eben in ihre Welt mit ein und sage, dass die Mama gleich vom Feld kommt oder etwas ähnliches", meint Holderer.

Man lerne, mit so etwas umzugehen. Das sie aber bei weitem nicht so schwer, wie viele denken. "Wenn ich erzähle, was ich mache, höre ich so gut wie immer ›Oh Gott, das könnte ich nicht‹. Das habe ich früher auch gedacht. Mittlerweile liebe ich meinen Beruf." Sie wünscht sich von der Gesellschaft weniger Abwertung für den Beruf. "Die Senioren freuen sich über Kleinigkeiten, die eigentlich selbstverständlich sind, und sind auch dankbar, wenn man ihnen nur den Rücken wäscht", führt Holderer aus.

Und wenn einer der Betreuten stirbt? "Das versuchen wir, professionell zu sehen", sagt Roth und Holderer meint: "Wie sehr das einen trifft, ist natürlich abhängig davon, wie die Bindung zu dem Verstorbenen war. Manchmal ist es schon hart daran zu denken, dass man erst gestern mit demjenigen Spaß gemacht hat." "Bei anderen sieht man, dass sie leiden und ist froh für sie, wenn sie es nicht mehr tun. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man sie begleitet und Abschied nimmt", ergänzt Roth.

Die Tätigkeit als Altenpfleger bringe aber so das Leben näher. "Man lernt, dessen Rhythmus zu verstehen und dass der Tod dazu gehört", sagt Roth. Charlotte Reinhard

In der Sommerserie "Mein Tag als ..." blickte der Schwarzwälder Bote hinter die Kulissen. Die Autoren berichteten über interessante Berufe und Tätigkeiten und über deren Hintergründe. Mit diesem Teil endet die Serie.