Notizhefte, PC und Ausdrucke: Stadtschreiberin Odile Kennel hat sich ihren Arbeitsplatz zum Schreiben im Hausacher Molerhiisli eingerichtet. Foto: Möller

Besuch bei der Lyrik- und Prosa-Autorin Odile Kennel. Erste Trägerin des Gisela-Scherer-Stipendiums.

Hausach - Odile Kennel ist die erste Trägerin des Gisela-Scherer-Stipendiums und aktuell dritte Hausacher Stadtschreiberin der Ausschreibung 2012. Der "Schwarzwälder Bote" hat ihr einen Schreibtischbesuch im Molerhiisli abgestattet. Dunkel prangen Tannen und Fichten von den verschneiten Hängen des Hausacher Breitenbachtals. Dieses Foto begleitet Odile Kennel täglich beim Schreiben im Hausacher Molerhiisli: als Bildschirmhintergrund auf ihrem Laptop. Denn die 45-jährige Autorin bearbeitet am Schreibtisch ihre Texte, schreibt sie direkt in den PC.

Ihre ersten Ideen notiert sie in ein Notizbüchlein, das Konzept in ein A5-Heft. Ist virtuell der Text geschrieben, korrigiert sie auf einen Ausdruck mit einem gelben Bic-Stift oder ihrem Füller. Die arbeitet sie dann in das Dokument auf ihrem PC ein. Immer wieder überarbeitet Kennel so ihre Texte, bis sie rund sind.

"Ich wollte hier das Konzept für mein nächstes Romanprojekt weiterentwickeln", erzählt die Autorin beim Schreibtischbesuch. Neue Ideen, die ihr eines Nachts im Molerhiisli durch den Kopf schwirrten, ließen sie jedoch das angefangene Konzept in Frage stellen.

Welches Thema es wert ist, in die Welt zu kommen? Die Antwort auf diese Frage sucht sie gerne bei Spaziergängen. Auch beim Fahrradfahren kommen Kennel Ideen für ihre Lyrik und Prosa. Und es war auch auf dem Fahrrad, als ihr als Gymnasiastin klar wurde: Ich will Schriftstellerin werden.

"Das Zuviel an Welt will wieder raus", sagt Kennel, die ihre Kindheit im badischen Achern verbrachte, über ihre Motivation. Als Tochter einer französischen Lehrerin und eines deutschen Bauingenieurs wuchs Kennel zweisprachig und mit einer jüngeren Schwester auf. Lesen lernte sie mit einem französischen Mickey-Mouse-Heft. Schon bald schrieben sie und ihre deutsche Oma sich in Reimform.

"Bei uns gab es immer Bücher", erinnert sich Kennel. Nach dem Abitur 1986 studierte sie Empirische Kulturwissenschaft und Politik an der Universität Tübingen. Ein Auslandssemester verbrachte sie im portugiesischen Lissabon, ein Jahr besuchte sie die Uni in Berlin. Und wollte unbedingt bleiben.

Mit Stipendien den Roman finanzieren

Doch erst zehn Jahre später und nach Stationen in Brasilien und den USA, Bielefeld, Dijon, Bukarest und Florenz war es 1999 soweit: Sie wurde Kulturmanagerin für das dortige "Institute français". "Für mich ist Berlin der beste Ort, dort ist auch meine französische Welt", schwärmt Kennel, die ihre Gedichte und Aufsätze in den 1990ern in diversen Zeitschriften veröffentlicht.

Ihre erstes Buch "Der Wimpernflug – eine atemlose Erzählung" erschien zur Jahrtausendwende. Entstanden sind die absatzfüllenden Satzmelodien noch handschriftlich, in ihrer "Kinderschrift". Bald beginnt Kennel auch, an ihrem Erstlings-Roman "Was Ida sagt" zu schreiben. Doch der Entstehungsprozess wird immer wieder unterbrochen, denn Kennel baut sich seit 2004 eine Existenz als Übersetzerin vom Französischen, Portugiesischen und Spanischen ins Deutsche auf.

"Auch die Übersetzungen gehören zu meiner Autorenschaft", sagt Kennel, die 2004 mit dem Recherchestipendium des Deutschen Schriftstellerverbands für "Ida" in die Normandie reiste. Wann immer sie "die Zeit und den Kopf" hatte, arbeitete Kennel an den ersten 100 Seiten ihres Romans. Diese leitete ihr Agent 2010 an den dtv-Verlag weiter.

"Das war der Wendepunkt", erinnert sich die Autorin. Zwei Monate später war Kennel unter Vertrag. Mit dem Vorschuss konnte sie nun täglich und zusätzlich unterstützt durch Stipendien an dem Roman schreiben. 2011 erscheint "Ida": 300 Seiten stark und als Spitzentitel des Verlags.

Über 10 000 Mal hat sich das Werk seither verkauft. Das ist viel für ein Debüt. Und am morgigen Sonntag um 11 Uhr wird die Stadtschreiberin Odile Kennel im Sitzungssaal des Hausacher Rathauses aus diesem Roman lesen.