Ilija Trojanow (links) im Gespräch mit José F.A. Oliver. Foto: Haberer

"Weltlese" beschäftigt sich mit den Folgen der Flucht. Ilija Trojanow stellt sein Werk vor.

Hausach - Da Autor Dzevad Karahasan aufgrund gestrichener Flüge nicht nach Hausach kommen konnte, ist Ilija Trojanow kurzfristig für das Leselenz-Format "Weltlese" eingesprungen. Er stellte sein 2017 erschienenes Buch "Nach der Flucht" vor.

Sein weltoffenes, immer auch international angelegtes Profil erhöht zweifelsohne den ganz besonderen Charme des Leselenz. Es kann aber auch zu Verwerfungen führen, wenn es Autoren aufgrund logistischer Schwierigkeiten nicht nach Hausach schaffen. Am Sonntagnachmittag musste der aus Bosnien-Herzegowina stammende Autor Dzevad Karahasan seine Lesung am Abend endgültig absagen, nachdem bereits der zweite von ihm gebuchte Flug aufgrund eines Pilotenstreiks gestrichen wurde.

Die von Ilija Trojanow in Kooperation mit der Büchergilde Gutenberg aufgelegte und im vergangenen Jahr auch in Hausach etablierte Reihe "Weltlese" stand damit ohne Autor da. Trojanow rückte kurzerhand selbst an seine Stelle und stellte im Gespräch mit José F.A. Oliver sein aktuelles Buch "Nach der Flucht" vor.

Der jüngst mit dem Heinrich-Böll-Preis ausgezeichnete Romancier beschreitet mit der Veröffentlichung einen neuen Weg. "Nach der Flucht" ist nur schwer einzuordnen, kommt weder als Sachbuch noch als Essay oder Roman daher. Es reiht thematisch verbundene Schlaglichter aneinander und ist doch die bisher persönlichste Veröffentlichung Trojanows, wie dieser am Sonntagabend bei dem Gespräch in den Gewächshäusern von Blumen Burkhardt betonte. Bisher habe er immer von sich weg geschrieben, das aktuelle Buch greife aber ein Thema auf, das seine eigene Biografie berühre.

Als Sechsjähriger ist Trojanow mit seinen Eltern aus Bulgarien geflüchtet. Sein Weg hat ihn über Jugoslawien und Italien nach Deutschland und schließlich nach Kenia geführt. "Nach der Flucht" fokussiert sich nicht auf die Gefahren der Reise, das unmittelbare Trauma. Das Buch thematisiert das Ankommen in einer neuen Lebenswirklichkeit und die Folgen von Entwurzlung. Trojanows persönliche Erinnerungen fangen mit der Flucht aus Sofia an, mit den Unwägbarkeiten der Reise, der Erfahrung, in einer fremden Umgebung mit unbekannten Sprachen konfrontiert zu werden. Aber auch mit dem Verlust von Intimität in der Lebenswirklichkeit eines Flüchtlingslagers. Alles sei erst einmal neu, fremd und bedrohlich. Am schwersten wiege aber die Sprachlosigkeit, der Verlust jeglicher Privatsphäre.

Politik der bewussten Entmenschlichung

Trojanow spricht von einer "Entwürdigung im Wartesaal des Schicksals" und davon, dass die Verschärfung des politischen Klimas, die zunehmende Abschottung, zu einer weiteren Stigmatisierung beiträgt. "Wir erleben im Moment eine Politik der bewussten Entmenschlichung", die darauf abziele, die Gesellschaft auf neue Grausamkeiten einzustimmen. Der im Buch immer wieder aufgegriffene Prozess des Ankommens, das Heilen der Narben und das Akzeptieren der eigenen Entwurzelung, werden aus seiner Sicht durch die aktuelle Politik zunehmend erschwert.

Trojanow ist selbst zu einem bekennenden Kosmopoliten geworden, zu einem erklärten Gegner jeglicher Form von Patriotismus. Er ist damit aber auch zur Zielscheibe von Ablehnung und Hass geworden. Er werde dabei auch von Menschen mit einer mehr als mangelhaften Sprachkompetenz beschimpft. "Ich korrigiere und schicke die Briefe und Mails unkommentiert zurück", sagt er. Wer seine Muttersprache nicht beherrsche, habe kein Recht andere auszugrenzen.

Ilija Trojanov wurde 1965 in Sofia geboren und floh 1971 mit seiner Familie nach Deutschland. Trojanow studierte in München. Heute lebt er in Wien. Seine Romane und Reisereportagen sind Bestseller und wurden mit zahlreichen Preisen bedacht.