Während des einwöchigen Austauschs sind deutsche und türkische Schüler zusammengewachsen. Foto: Dorn Foto: Schwarzwälder Bote

Bildung: Kinzigtäler Schüler und Gastgeber ziehen Bilanz / Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Fokus

Zum Abschluss des Schüleraustauschs mit dem Istanbuler Erkek-Lisesi-Gymnasium haben Gäste und Gastgeber beim Abschlussessen in der Istanbuler Altstadt Bilanz gezogen. Dabei blickten sie auf die Eindrücke der vergangenen Woche zurück.

Hausach. Hier die 15-Millionen-Metropole Istanbul, dort das 6000-Seelen-Dorf Hausach – die Verhältniszahl 2500 zog sich wie ein roter Faden durch die Austauschwoche. Dieser Faktor hatte vor allem bei den deutschen Schülern Auswirkungen auf das Lebensgefühl: Weite Anfahrtswege von den Wohnorten im asiatischen Teil, die nur dank des Marmarey (der U-Bahn-Verbindung unter der Bosporus-Meerenge) überhaupt so zu bewältigen waren, dass die Schüler rechtzeitig um 8.30 Uhr an der Schule sein konnten. An eine Erholungspause zuhause war nicht zu denken, das Mensaessen war oft die einzige kurze Rückzugsmöglichkeit.

Wo in Hausach eine einzige Ampel den Verkehr auf der Hauptstraße regelt, wurde der Straßenverkehr in Istanbul oft als anarchisch erlebt, das Betätigen der Hupe gilt als Warnung und sichert dem Hupenden den entscheidenden Vorteil beim Einfädeln, Abbiegen oder Vorbeidrängeln und selbst die Straßenbahnfahrer haben sich auf der von Touristen stark frequentierten Strecke hinauf zur Sultan-Ahmet-Moschee dies zu eigen gemacht. Trotz unübersehbarer Polizeipräsenz – mit teilweise martialisch anzusehenden Militärfahrzeugen – ließ sich ein subjektives Unsicherheitsgefühl nie ganz unterdrücken. "Kleide dich so, dass du auf der Straße nicht auffällst, wenn du nachts unterwegs bist", lautete eine der Handlungsempfehlungen der türkischen Schülerinnen an ihre deutschen Gastschülerinnen.

Das Umweltbewusstsein der deutschen Schüler, frisch gestärkt durch die Fridays-for-future-Demos, wurde in der Metropole natürlich vor eine große Herausforderung gestellt. Viel Plastik im Alltag, zum Mittagessen wurde Wasser in transparenten Plastikbechern gereicht, ein Mehrweg-System ist noch kaum existent. Es gibt erste zaghafte Schritte: So kann man an den Metro-Stationen Plastikflaschen in Automaten entsorgen und bekommt dafür einen Betrag auf der Istanbul-Metro-Karte gutgeschrieben.

Der Öffentliche Personennahverkehr ist sehr gut ausgebaut und sehr stark subventioniert. Die erste Fahrt kostet 2,60 Türkische Lira (umgerechnet 40 Cent), die zweite Anschlussfahrt nur noch 1,85 Türkische Lira (30 Cent) und jede weitere Fahrt 20 Cent (im Normaltarif Erwachsene, für Schüler gelten noch niedrigere Tarife), die einstündige Schifffahrt zu den Prinzen-Inseln kostete 80 Cent.

In der Anonymität der Megacity erwies sich das Schulgelände des Erkek Lisesi als willkommener Zufluchtsort für die Schüler. Mit jedem Tag erweiterte sich für die deutschen Gäste der Radius um die Schule um einen Straßenzug. Zum Abschlussabend reichte die so konstruierte "dörfliche Welt" schon bis zur Stammkneipe Karadeniz Pide, in der an einer langen Tafel auch der gemeinsame Abschluss mit einem traditionellen Ramadan-Menü eingenommen wurde.

Emre, ein eher schüchterner Austauschpartner, spielte auf der Saz, der traditionellen türkischen Langhals-Laute und sang dazu. Dann zogen die Schüler um in den nahegelegenen Park und Emre brachte Marie, der deutschen Harfenistin, zwei Akkorde auf der Saz bei.

Vielleicht wird die Musik in der kommenden Austausch-Runde 2020/2021 einen eigenen Platz im Kinzigtäler und Istanbuler Programm bekommen. An Ideen mangelt es dem auf türkischer Seite auf fünf Lehrer angewachsenen Team und den beiden deutschen Lehrern Hans-Michael Uhl und Matthias Dorn nicht.