Kriegsszene von Eugen Nanz, 1915. Foto: hsa

Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu sehen: „Württembergische Künstler sehen den Ersten Weltkrieg“.

Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart zu sehen: „Württembergische Künstler sehen den Ersten Weltkrieg“.

Der Krieg, auch der Erste Weltkrieg, hat viele Gesichter: So überrascht die jetzt eröffnete Ausstellung im Foyer des Hauptstaatsarchivs Stuttgart unter dem Titel „Pinselstriche in der Todeszone“ mit einem Plakat, auf dem „Der Schlachtenmaler“ die entfesselte Kriegsmaschinerie des Ersten Weltkriegs in weite Ferne rückt. Die selbstironische Pose, die Albert Heim für sein 1916 entstandenes Selbstbildnis wählte, rückt das Metier des Schlachtenmalers jedenfalls eher ins Fach leicht zu schulternder beruflicher Bürden. Im Vergleich zu dem Qualm, den der lässig Zigaretten rauchende Künstler verbreitet, wirkt das von fernem Geschützfeuer stammende Wölkchen am Horizont geradezu harmlos.

Auch solchem Understatement, das den Krieg scheinbar auf die leichte Schulter nimmt, lässt sich Gutes abgewinnen, sofern man den blutigen Ernst des Wahnsinns, der sich auf dem Feld abspielt, nicht aus den Augen verliert. Die Gelassenheit, mit der „Württembergische Künstler (. . .) den Ersten Weltkrieg (sehen)“, ist aber dem Jubel, mit dem andere die Katastrophe begrüßten, allemal vorzuziehen. Solange es nicht ums Verrecken ging, mochte man das Kriegsspiel ja als Abenteuer empfinden. „Reinigung, Befreiung“ (Thomas Mann) – womöglich vom Überdruss an bürgerlicher Sicherheit – war es darum nicht.

Albert Heim, Eugen Nanz und Paul Lang-Kurz, die von Albrecht Ernst, Wolfgang Mährle und Marco Birn aus den reichen Beständen des Landesarchivs als künstlerische Zeitzeugen auserkoren wurden, eint außer ihrer württembergischen Landsmannschaft die jahrelange Teilnahme am Krieg. Weitaus die meisten Exponate der Schau sind während des Kriegs entstanden. Als Soldaten waren alle drei Künstler an vielen Fronten quer durch Europa eingesetzt, haben das Gemetzel jedoch überlebt. Und alle drei fanden zurück in ihre teils künstlerische, teils bürgerliche Existenz.

Der gebürtige Esslinger und gelernte Lithograf Albert Heim (1890–1960) besuchte nach Kriegsende die Stuttgarter Kunstgewerbeschule. Als Vorsitzender des Bundes deutscher Gebrauchsgrafiker in der Landesgruppe Württemberg erwarb er sich Namen und Ansehen, lebte längere Zeit in Berlin und nach 1948 in Backnang, ehe er 1960 – wieder in Berlin – starb. Pate zu seinen großenteils unbeschwert anmutenden Aquarellen und Gouachen stand sein Kommandeur Generalleutnant Theodor von Wundt, der im Artois und der Picardie eine Infanterie-Brigade befehligte.

Die kameradschaftliche Stimmung, der idyllische Standort der Quartiere und der gutmütige Spott, mit dem Heim ein bäuchlings genossenes Sonnenbad, den ersten leibhaftig gefangenen „Irländer“, den „Anmarsch der Esstruppe“, „Heitere Festlichkeiten“ oder in „Liebespaketen“ verstautes Klopapier dokumentiert, sollten den Ausstellungsbesucher allerdings nicht täuschen.

„Es ist die trügerische Ruhe vor dem Sturm, der im Juli 1916 mit der Somme-Schlacht furchtbare Ausmaße annahm und schließlich mehr als eine Million Menschenleben forderte“, resümiert Albrecht Ernst. Tatsächlich werden „Brennende Gebäude nach Fliegerangriff“, „Schanzengraben bei Beaumont mit gefallenen englischen Soldaten“ und ein „Deutscher Kriegerfriedhof“ auch nicht unterschlagen.

Der Stuttgarter Eugen Nanz (1887–1958), der an der Kunstgewerbeschule auf dem Weißenhof bei Bernhard Pankok und Christian Landenberger studiert hatte, wurde 1919 von Pankok als Assistent berufen. Von dem von 1916 an als Regimentszeichner arbeitenden Künstler sind fast 500 Kriegsszenen erhalten, die mit realistischer Präzision überzeugen und Eingang in kriegsgeschichtliche Publikationen fanden. Die in unterschiedlichen Techniken mit Tusche, Blei-, Bunt- und Fettstift realisierten Zeichnungen liefern durchaus ungeschönte Bilder vom Krieg. Die „Soldaten auf dem Weg zum Stellungsbau vor der Bzoura“ in Polen (1915) sieht man von hinten, dicht aneinandergedrängt und unter einem ausdrucksstarken Fächer himmelwärts gerichteter Schaufelstiele. Die zwei Jahre später gezeichnete „Bergung eines Soldaten aus einem Granattrichter“ und der ebenfalls 1917 in Temperatechnik gemalte „Soldatenfriedhof“ in romantisierender Dämmerung lassen an der veränderten Stimmung zu diesem Zeitpunkt wenig Zweifel.

Auch Paul Lang-Kurz (1877–1937) absolvierte die Stuttgarter Kunstgewerbeschule, studierte zudem an den Akademien in Dresden und München und wurde schon 1906 in Stuttgart selbst Lehrer. Als Leiter der Textilabteilung an der Kunstgewerbeschule war er auch für die Innenausstattung des 1913 eröffneten Kunstgebäudes am Schloßplatz verantwortlich und wurde mit der Goldenen Medaille am Bande des Friedrichsordens geehrt. Seine aus dem Nachlass stammenden Bleistiftzeichnungen entstanden größtenteils zwischen 1915 und 1918, als Lang-Kurz als Gefreiter im württembergischen Gebirgs-Bataillon an verschiedenen Frontabschnitten in Frankreich, Rumänien und in Norditalien im Einsatz war. Einen starken Eindruck vermitteln „Vier Soldaten auf einem Weinbergpfad marschierend“, die „Deutsche MG-Abteilung im Abwehrkampf“ oder „Soldaten auf Patrouille“ mit brennenden Gehöften im Schnee. In der Etappe nahm sich Lang-Kurz vielfach Zeit zu Porträtstudien der Kameraden, richtete aber auch an Weihnachten 1915 „An den Schützen Georg Roth“ das Bild eines Soldaten auf Skiern, das von den Kameraden auf einem Extrablatt mit Unterschriften bekräftigt wurde.

Stuttgart, Konrad-Adenauer-Straße 4. Bis zum 2. Mai. Mo 9.15 bis 17, Di und Mi 8.30 bis 17, Do 8.30 bis 19 und Fr 8.30 bis 16 Uhr. Öffentliche Führungen Mi 11.30 Uhr.