Hausacher Landfrauen kochen "Schwarze Supp’" zur Saisoneröffnung des Freilichtmuseums Vogtsbauernhof.
Dicker, grau-weißer Rauch drückt aus den Tür- und Fensterritzen des Falkenhofs im Freilichtmuseum Vogtsbauernhof Gutach. Drinnen, in der Rauchküche, stehen Maria Perrey und Maria Harter von den Landfrauen Hausach und werkeln an dem alten Herd – unten lodert das Feuer, nach oben drückt sich der Qualm raus: "Passen die Ringe da drauf?", fragt Harter und hebt drei Metallringe auf die rechte untere Kochplatte. "Ja, das passt schon", bestätigt Perrey und wedelt mit einem Topflappen den Rauch aus ihrem Sichtfeld. "Da kommt dann jetzt meine Kasserole drauf und dann geht es los", erklärt sie und greift nach dem schwarzen Topf.
"Schwarze Supp’" soll es gleich zur Saisoneröffnung des Schwarzwälder Freilichtmuseums Vogtsbauernhof geben. Nein, das ist kein Hexentrunk, sondern ein einfaches aber gehaltvolles Gericht. Auch wenn das Essen dem Namen nach zum diesjährigen Motto passt: "Schwarzwald sagenhaft" – es darf sich folglich gegruselt werden.
"Wissen Sie, früher hat man alles verwertet, was der Hof so abgeworfen hat", erklärt Perrey. "Auch das alte Brot. Das ist nämlich die Hauptzutat für die "Schwarze Supp’". Es wird sozusagen recycled.
Bei den beiden Hausacher Landfrauen ist Arbeitsteilung angesagt: Harter schneidet das Roggenbrot in dünne Scheiben und legt sie in heißes Wasser, damit sie zerfallen. Perrey gibt einen sehr gehäuften Esslöffel Schweineschmalz in die Kasserole. "Man darf nicht zu viel Fett nehmen – sonst schmeckt es nicht mehr", weiß Perrey und lächelt. Wenn der Schmalz sich aufgelöst hat, kommt Roggenmehl hinein. Kein Weißmehl. Sonst hieße es ja "Weiße Supp’". "Richtig schwarz wird das hier nicht, eher braun", betont Perrey. Die Mehlschwitze wird mit heißem Wasser aufgegossen und mit Salz und Pfeffer gewürzt.
Kompliziert ist das Rezept nicht. Das Kochen fällt dennoch nicht leicht. Hauptproblem: der Rauch. "Das ist eigentlich sehr praktisch gedacht, die Konstruktion hier". sagt Harter und deutet zur Decke.
"Wenn man hier unten kocht, werden Würstchen oder Speck, an der Decke geräuchert, die Stube und die Schlafzimmer über den Kamin mitgeheizt", so Perrey.
Das Esszimmer muss extra beheizt werden
"Wir werden in diesem Rauch auch gleich mitkonserviert und bleiben jung", scherzt Harter und reibt sich die Augen vom beißenden Qualm. Das nennt man wohl Synergieeffekte. Das Esszimmer allerdings muss extra beheizt werden – und das ordentlich. Schließlich sollen die Gäste später beim Essen nicht frieren. Aber so weit ist es noch lange nicht.
Erst einmal steht die Feier zur Saisoneröffnung an – oben, auf dem Dachboden des Hippenseppenhofs. Und die Eröffnung der Sonderausstellung "Schwarzwald sagenhaft". Die Luft ist dort oben eindeutig besser als in der Rauchküche. Aber kalt ist es. Wirklich kalt. Wer die steilen Stufen nach oben erklommen hat, kann sich gleich rechts neben der Treppe auf kleine Holzklötze hinsetzen und auf Knopfdruck drei Sagen lauschen. Auf einem beleuchteten Arbeitstisch liegen Fotos von Grusel- und Sagenfiguren aus ganz Baden-Württemberg.
Laut Silke Höllmüller, wissenschaftliche Volontärin des Museums, gibt es in keinem Bundesland so viele Sagen und Märchen wie zwischen Mannheim und Konstanz. Woran das wohl liegen mag? Einleuchtende Theorien haben sie gleich parat: Gottesfürchtig sei man halt im Schwarzwald, früher habe man noch keine wissenschaftlichen Erklärungen gehabt für Wetterphänomene, dunkel und kalt seien die Winter – da sei das Wetter zur Zeit doch das beste Beispiel.
Thomas Hafen, wissenschaftlicher Leiter des Freilichtmuseums, schüttelt unzählige Hände, lächelt freundlich nach links und rechts. Man sieht ihm an, dass er sich freut auf die neue Saison mit mehr als 1000 Veranstaltungen, die bis zum 3. November im Freilichtmuseum über die Bühne gehen. Und über die vielen Besucher, die zum Saisonstart gekommen sind.
Konzerte, Lesungen und Mitmachaktionen
Dann ist es so weit: Die Saison ist eröffnet. Schaurig wird sie werden – mit Vorträgen, Mitmachaktionen, Konzerten, Lesungen und Theateraufführungen. Das erst kleine Konzert gibt es gleich zur Feier: Cindy Blum aus Gutach spielt drei Stücke auf ihrer Gitarre – Gänsehautalarm im aller positivsten Sinn.
Michaela Neuberger ist eine von vielen Sagenerzählerinnen, die ihr Talent dem Freilichtmuseum für diese Saison zur Verfügung gestellt hat. Wie aus dem Nichts steht sie plötzlich auf dem kleinen Balkon des Bergwerks. Die Haare geflochten und hoch gesteckt, trägt sie eine schwarz-blaue Tracht mit kleinen Blumen auf der Schürze.
Gruselgeschichten aus dem Schwarzwald
In den Händen hält sie ein großes goldenes Buch. Drei Sagen erzählt sie, mit vollem Körpereinsatz. Der ein oder andere Zuhörer zuckt schon mal zusammen, wenn sie plötzlich mit dem Fuß aufstampft oder mit der Hand an die Balustrade schlägt. Also – es hat ja eh schon immer Orte gegeben, wo man nachts besser nicht hin sollte. Aber die haben sich nach Neubergers Erzählungen einfach gleich mal um drei erweitert.
Essen ist fertig. Wer möchte kann sich in die "Schwarze Supp’" noch eine Kartoffel schneiden. Im Esszimmer ist es mollig warm – und die Suppe tut auch gut, nach einer Stunde in der Ausstellung. "Wie hat es Ihnen geschmeckt?", fragt Perrey wenn die Gäste ihre Teller in die Waschwanne legen. Gut, ist der allgemeine Konsens. Einfach lecker. Sabrina Deckert