Ohne die Eisschicht würden die Blüten absterben. Foto: Schwarzwälder Bote

Landwirtschaft: Blüten erhalten "Schutzpanzer" / Obstbäume sind empfindlich gegen Kälte

Eine dicke Eisschicht legt sich über Obstbaum-Bestände bei Haslach. Ein ungewöhnliches Bild in den vergangenen Apriltagen. Und der Hintergrund erscheint zunächst paradox: Die Eisschicht soll die empfindlichen Apfelblüten vor Frost schützen.

Haslach. Was ungewöhnlich aussieht und mindestens ebenso außergewöhnlich klingt, ist für Obstbauer Jonathan Schätzle nichts Besonderes. Die sogenannte Frostschutzberegnung sei im Grunde die beste Option, um die Blüten von Obstbäumen vor dem Erfrieren zu schützen, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung.

Denn während Kirschbäume bereits voll blühen und auch die Apfelbäume in den Startlöchern sind, sinken die Temperaturen im Kinzigtal nachts teilweise noch unter den Gefrierpunkt. 2020 und 2021 sogar noch öfter als in den vergangenen Jahren – für die empfindlichen Blüten bedeutet das t den Kältetod: Sobald die Temperaturen unter Null sinken, erfrieren sie, erklärt Schätzle. Und ohne Blüten trägt der Baum auch keine Früchte.

Dass ausgerechnet Eis den empfindlichen Obstblüten gegen das Erfrieren helfen soll, klingt da nicht besonders logisch. Die Methode beruht aber schlicht auf physikalischen Regeln: Wenn Wasser gefriert, setzt es die sogenannte "Erstarrungswärme" ab. Zunächst wird es bei der Frostschutzberegnung also wärmer – und diese Wärme überträgt sich auf die Blüten, was sie vor dem Erfrieren bewahrt. Das bedeutet aber auch, dass die Beregnung so lange erfolgen muss, bis die Temperaturen wieder über Null Grad Celsius liegen. Und wenn der Wind zu stark ist, verzichte man lieber ganz. Wichtig sei, den Wetterbericht zu verfolgen. Auch der Austausch mit Kollegen habe sich bewährt. Sobald die Temperaturen auf ein bis zwei Grad Celsius zurückgehen, geht’s für Jonathan Schätzle oder seinen Bruder in die Anlage, um die Lage vor Ort zu beurteilen. Denn Temperatur ist nicht gleich Temperatur – die Luftfeuchtigkeit beeinflusse den Prozess ebenfalls. "Wenn es ganz extrem ist, müssen wir die Anlage bereits bei drei Grad Celsius einschalten", erklärt Schätzle. Insgesamt ist aber Timing alles. In normalen Jahren werde die Beregnungsanlage eingeschaltet, kurz bevor der Nullpunkt erreicht ist. In diesem Jahr und auch bereits 2020 gab es so viele Frostnächte, dass die Schnellinger etwas "pokern", so Schätzle. Denn die Beregnung sei Stress für die Bäume.

Auch nachts müssen die Obstbauern raus

Trotzdem sei sie die bewährteste Methode, die Blüten zu schützen. Wer die Möglichkeit habe, wende sie an. Als bestmögliche Alternative bewertet Schätzle den Anbau der Obstbestände in Hanglagen, sofern vorhanden. Denn kalte Luft steigt nach unten, sodass sie in den Hanglagen normalerweise nicht lange verbleibt.

Zum Einsatz von Kerzen beziehungsweise Fackeln, die derzeit etwa von Winzern genutzt werden, hat er eine Anekdote parat: Notwendig seien etwa 400 pro Hektar, die dann fünf bis acht Stunden brennen. Im "krassen Kältejahr" 2017 hätte man diese in der ersten und zweiten Nacht noch aufstellen können – in der dritten waren sie ausverkauft.

Die Beregnung erfolgt, sobald die Temperaturen es erfordern, also nachts oder am Tag. Dazu gehöre eine ständige Überwachung der Anlage, denn "die Pumpe muss laufen". Es komme vor, dass Rohre platzten, und kein Einsatz vergehe, ohne dass ein Sprinkler verstopfe. "Nachts laufen wir dick eingepackt und mit Stirnlampe in der Anlage herum und sehen nach dem Rechten", berichtet er aus der Praxis. Inzwischen habe sich bewährt, dass einer der beiden Brüder – die den Betrieb zusammen mit ihrer Mutter führen – die gesamte Nachtschicht übernimmt und dafür am Folgetag nicht mit arbeitet.

Der Obsthof Schätzle verfügt über Flächen in Schnellingen, Bollenbach, Fischerbach und Haslach. Auf fünf Hektar baut der Betrieb Äpfel an, auf weiteren zwei Erdbeeren und auf einem Hektar Kirschen. Dazu kommt ein halber Hektar Birnen. Laut Jonathan Schätzle gibt es beim Obsthof darüber hinaus auch Himbeeren und Heidelbeeren zu kaufen, wenn diese Saison haben. Wer sich für Beiträge aus dem Alltag des Hofs interessiert, kann ihm sowohl auf Facebook als auch auf Instagram unter "@obstschaetzle" folgen.