In Hausach traf sich der Arbeitskreis um die ersten Schritte für das Mindestflurkonzept zu besprechen Foto: Kleinberger

Larven des Junikäfers verwüsten große Wiesenflächen - für Landwirte existenzbedrohend. Mit Kommentar

Haslach - Die Kinzigtäler Landwirte sind in Aufruhr. Eine Engerling-Plage breitet sich rasant in der Region aus. Die Larven des Junikäfers verwüsten große Wiesenflächen – das ist existenzbedrohend für viele Landwirte.

Die Problematik, die erst vor wenigen Wochen bekannt geworden ist, hat am Freitag Politiker und Betroffene in Haslach beschäftigt. Haslachs Bürgermeister Philipp Saar hatte einen Gemeindebesuch der Grünen-Landtagsabgeordneten Sandra Boser zum Anlass genommen, sie hinsichtlich der mehr als prekären Lage mit ins Boot zu holen. Landwirte und die beiden Vorsitzenden der BLHV-Ortsgruppe Haslach (Hermann Braig) sowie des BLHV-Kreisverbands Wolfach (Ulrich Müller) waren ebenfalls dabei.

50 bis 70 Prozent Futterausfälle

Einem Vor-Ort-Besuch auf Wiesenflächen von Klaus Duffner ging ein Austausch im Ratsaal voraus, der bereits zeigte, wie sehr das Thema den Landwirten unter den Nägeln brennt. Die Engerlinge, die das Larvenstadium des Junikäfers darstellen, treten in diesem Jahr in einer nie dagewesenen Masse auf: Normal seien etwa 20 bis 30 der Tiere auf einem Quadratmeter Wiese, verdeutlichte Ulrich Müller. Aktuell seien es um die 300. "Die Grasnarbe ist nachhaltig beschädigt", brachte es der BLHV-Kreisvorsitzende auf den Punkt.

Zusammen mit der anhaltenden Trockenheit stünden insbesondere die Landwirte, die Vieh züchten, vor immensen Herausforderungen. Die Futterausfälle beliefen sich bereits auf 50 bis 70 Prozent. "Und durch die Engerlinge wächst jetzt gar nichts mehr." Denn sie fressen sich durch das Wurzelwerk des Grases. Dazu kommen Flurschäden durch Wildschweine und Vögel, die die Proteinlieferanten aus dem Boden graben.

Es geht nicht ohne Notschlachtungen

"Wir wissen nicht, wie wir über den Winter kommen sollen", machten die Bauern deutlich. Auf keinen Fall werde es ohne Notschlachten ausgehen, befand Müller.

Klaus Duffner berichtete, von 55 Hektar Wiese müssten bei ihm insgesamt 35 Hektar neu eingesät werden. Eine teure Maßnahme, die natürlich auch nur fruchtet, wenn die Schädlinge nicht sofort wieder aktiv werden – und es regnet.

"Wir müssen an einem Strang ziehen", wandte sich Müller an Boser als Vertreterin der Landespolitik. Aktuell fühlten die Landwirte sich völlig hilflos: Grünlandumbruch, der eigentlich eine der effektivsten Möglichkeiten im Kampf gegen die Schädlinge sei, sei förderschädlich. Auch die Aussaat anderer Gräser oder von Klee, den die Engerlinge nicht anfressen, sei aus demselben Grund nicht so einfach machbar, ergänzte Duffner. Andere Methoden wie ein Pilz, der die Engerlinge erledigt, seien in Deutschland noch nicht zugelassen.

Problem erstmals vor drei Jahren in Bayern

Und: Das Problem ist relativ neu. Erst vor drei Jahren sei es in Deutschland erstmals in Bayern aufgetaucht, so Müller. "Wir benötigen sofort fachliche und wissenschaftliche Begleitung", forderte er. "Bitte nehmen Sie uns mit, wenn es etwas Neues gibt", wandte er sich an Boser.

Die Landtagsabgeordnete gab zu, dass auch sie selbst erst vor kurzem von der Problematik erfahren habe. Ihr sei aber klar, dass die Zeit dränge. "Ich nehme das Thema mit ins Landwirtschaftsministerium", sicherte sie zu. Klären wolle sie auch, wie es mit möglichen Erstattungen der Subventionen aussehe: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine solche Situation für Sie förderschädlich ist, aber das muss geklärt werden." Zur Frage nach der Unterhaltungspflicht der FFH-Flächen wolle sie zudem den Landschaftserhaltungsverband (LEV) einbinden. In der Ortenau seien insgesamt wohl zwischen 400 und 500 Hektar betroffen, das Kinzigtal sei ein Schwerpunkt.

Info: der Junikäfer

Die Schädlinge sind Larven des Junikäfers. Diese brauchen mehrere Jahre, um sich zu entwickeln. Das Weibchen legt rund 35 Eier im Boden ab. Das erste Larvenstadium schlüpft im Juli/August und häutet sich zum zweiten Larvenstadium, welches sich zum Überwintern unterhalb der Frostgrenze aufhält. Im zweiten Jahr kommt ab Juni das dritte Larvenstadium zum Wurzelfraß nach oben und wandert zum Überwintern wieder unter die Frostgrenze. Erst im Frühjahr des dritten Jahres verpuppt sich dieses Larvenstadium, im Juni schlüpfen dann die Käfer.

Kommentar: Die Zeit drängt

Von Lisa Kleinberger

Die Lage ist unübersehbar dramatisch: Viele Flächen im Kinzigtal sind bereits ausgetrocknet. Obwohl es regnet, wächst die Wiese nicht mehr nach. Die Engerling-Plage hat das Tal fest im Griff. Das ist für die Landwirte existenzbedrohend: Ihnen geht das Futter für ihre Tiere aus. Auch von Engerling-Befall beispielsweise in Kartoffeläckern ist schon zu hören. Wie sollen die Bauern ihre Ernteausfälle überbrücken?

Darauf gibt es noch keine Antwort. Dazu kommt eine weitere Sorge: Viele befallene Flächen sind als FFH-Flächen ausgewiesen. Deren Zustand darf sich gesetzlich gesehen eigentlich nicht verschlechtern. Die Bauern tragen an der aktuellen Situation aber keine Schuld. Was passiert, wenn die Engerling-Wiesen im Rahmen der FFH-Verordnung kontrolliert werden? Auch diese Frage ist offen.

Die Nerven liegen verständlicherweise an vielen Stellen blank. Es braucht Antworten. Die Landwirte möglicherweise für etwas zu bestrafen, das sie eiskalt erwischt hat, wäre sicher nicht der richtige Weg. Die Politik muss schnellstmöglich Fakten schaffen und mit praktikablen Lösungen helfen.