Gelungener Jubiläumsabend (von links): Kino-Betreiber Curt Prinzbach mit Tochter Clarissa Geißler, Musiker Günter A. Buchwald und Oliver Schell, dessen Werkstatt für Tasteninstrumente den Flügel für das eindrucksvolle Konzert zur Verfügung stellte. Foto: Kleinberger

Haslacher feiern 100 Jahre Kino. Stummfilm-Vertonung von Günter A. Buchwald beeindruckt.

Haslach - 100 Jahre reicht die Kinotradition in Haslach zurück. Anlass genug für die Inhaberfamilie Prinzbach, das Bestehen und das Medium Film zu feiern. Mit einer Stummfilmvertonung gelingt die Hommage an den Film und das Kino bestens.

Ganz besonders freut sich Curt Prinzbach am Samstagabend darüber, dass sein Ehrengast es geschafft hat: Gertrud, die Tochter von Johann Haser. Der damalige Wirt des Bayrischen Hofs holte damals das "Kinematographentheater" in die Hansjakobstadt. Sie ist selbst im "Leutnant von Hasle" zu sehen, der den Abend filmisch eröffnen wird.

Zunächst aber steht Curt Prinzbachs Festrede im Mittelpunkt. "Kino ist für mich Leidenschaft pur", sagt er. Andere würden ihre Wochenenden auf dem Fußballplatz verbringen, Prinzbach hat mit dem Kino nicht nur seinen Broterwerb, sondern seine Erfüllung gefunden.

Es sei mehr als ein Ort, an dem Filme geschaut werden. Es sei ein Ort der Begegnung, an dem die Besucher Emotionen miteinander teilen – im dunklen Kinosaal "anonym und doch vertraut".

Prinzbach liefert einen kurzen Abriss über die Geschichte des Kinos an sich und dessen in Haslach im Besonderen. Seit 68 Jahren besteht das Haslacher Kino unter der Leitung der Familie Prinzbach, "worauf ich sehr stolz bin". Er sei sich sicher, dass das Kino in Haslach die Menschen auch in den kommenden 100 Jahren begeistere. "Willkommen auf meinem Fußballplatz", schließt er seine Festrede. Film ab.

Ein Stück Ortsgeschichte wird lebendig

Begleitet von Günter A. Buchwald am Flügel – später auch mit der Geige – wird zunächst ein Stück Ortsgeschichte lebendig. Als Vorfilm zeigt das Kino den "Leutnant von Hasle". Der erste Kinobetreiber Haslachs und damalige Wirt des Bayrischen Hofs, Johann Haser, hatte das Fasentsspiel aufnehmen lassen. Während Buchwald die Klangwelt im Kino vor 100 Jahren virtuos zum Leben erweckt, herrscht in den Zuschauerrängen beste Stimmung. Die Gäste schwätzen miteinander, wenn sie etwas Bekanntes auf der Leinwand sehen, vergleichen es mit dem Ist-Zustand, nehmen die Atmosphäre auf. Dass Kino Gemeinschaft ist, ist in diesem Moment deutlich zu spüren.

Das letzte Bild des "Leutnant von Hasle" zeigt drei Kinder, die auf die Kamera zulaufen. Es sind die drei Kinder von Hans Haser, eines von ihnen ist Gertrud. Sie ist an diesem Abend selbst im Kino zu Gast. Dass der Kreis sich auf diese besondere Art schließt, freut Curt Prinzbach merklich.

Mit dem Hauptfilm hat Prinzbach ein gutes Händchen bewiesen. Buster Keaton’s "The Cameraman" von 1928 hat alles, was das Kino bis heute ausmacht: Eine Liebesgeschichte, Action, Drama – und vor allem viel Humor. Nicht umsonst zählt Keaton bis heute zu den größten Komikern seiner Zeit. Das Publikum ist begeistert, lacht – im Saal herrscht beste Stimmung.

Buchwald zeigt sich dabei als Meister seines Fachs. Dass er den Film fest in seinem Repertoire hat, zeigt sich deutlich: Kein Anschlag, keine Pause wirkt zufällig. Alles passt genau zusammen und die Musik erfüllt ihren Zweck – die Zuschauer emotional auf einer anderen Ebene zu erreichen, als die bloße Darstellung auf der Leinwand es kann. Mal konterkariert, mal untermalt er die theatralische Ausdrucksweise besonders des Protagonisten (Keaton selbst). Keine Frage: Diesen Film hat Buchwald schon oft aufgeführt.

Vorbereitung auf neuen Film geht für den Musiker recht schnell

Aber wie ist es mit dem "Leutnant"? Wer sich auf eine solche Vorführung vorbereitet, "muss den Film natürlich gesehen haben", sagt Buchwald später im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Er habe eine DVD bekommen. Außerdem gebe es zahlreiche ähnliche Stummfilme, die das bäuerliche Leben und Traditionen zeigen. Wichtig sei, die Dramatik der Geschehnisse auf der Leinwand zu untermalen. Lange braucht Buchwald nicht: "Die Vorbereitung dauert etwa so lange wie der Film." Alles Andere ergebe sich aus seiner Erfahrung und der Situation. So greift er in einer Eingangsszene, in der eine Mühle gezeigt wird, das Thema von "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach" auf.

Der Musiker und Komponist hat seit 1978 fast 3000 solcher Filmkonzerte gegeben. Er zählt zu den Mitbegründern der Stummfilmrenaissance. Ein Stummfilmkonzert gab er 1995 vor Buster Keatons Witwe – für Buchwald ein besonderer Moment.

Ein besonderer Abend ist es für Curt Prinzbach. Nach lang anhaltendem Applaus für den Hauptfilm und die Leistung Buchwalds zeigt er eine Auswahl weiterer kurzer Filme quer durch die Epochen, endend mit der Dokumentation über Fritz Kilgus mit seiner Holzsägehackmaschine.

Sichtlich gerührt beendet Prinzbach den Abend und wünscht, wie einst seine Mutter, den Gästen eine gute Nacht.

Günter A. Buchwald wird auch im kommenden Jahr wieder in der Region zu hören sein. Wie Oliver Schell am Rande informierte, wird der Musiker in der Spielzeit 2020/2021 bei den Wolfacher Konzerten im Blauen Salon auftreten. Im Rahmen dieser wird er wieder einen Stummfilm vertonen. Vergangenes Jahr wurde im Rahmen der Konzertreihe Der Glöckner von Notre Dame (1923) von Buchwald aufgeführt. Welcher Film diesmal im Blauen Salon zu sehen und zu hören sein wird, steht noch nicht fest.