Nicole Hubert (links) und Aneta Cieleski haben einen Betrunkenen an der Weiterfahrt gehindert. Zivilcourage zu zeigen, war sie selbstversändlich, berichten sie. Foto: Kleinberger

Aneta Cieslik und Nicole Hubert hindern betrunkenen Mann am Weiterfahren. Einfach wegschauen keine Option.

Haslach - Ein Mann betritt am Abend eine Tankstelle. Er geht unsicher, hat Probleme damit, seinen Einkauf mit einer EC-Karte zu bezahlen. Gekauft hat er Alkohol – und setzt sich vor der Tankstelle in sein Auto, um weiterzufahren.

Zwei Angestellte der Tankstelle schreiten ein: Aneta Cieslik (39) und Nicole Hubert (19) hindern ihn an der Weiterfahrt. Ihr couragiertes Vorgehen ist Stadtgespräch.

Das Ganze ereignete sich am Montagabend, während Cieslik Dienst hatte. Gegen 20.40 Uhr war der Autofahrer bei der Tankstelle in der Mühlenstraße aufgetaucht. "Er ging zum Kühlschrank, nahm alkoholische Getränke heraus und als er versucht hat, die zu bezahlen, hat er einige Anläufe zur Eingabe seiner PIN-Nummer gebraucht", erinnert die 39-Jährige sich. Das Ganze sei ihr komisch vorgekommen: Der Mann habe "wahnsinnig" nach Alkohol gerochen, habe seltsam gesprochen und gelaufen. "Er wirkte betrunken."

Autofahrer passt beim Zurücksetzen nicht auf

Cieslik bat ihre Kollegin Hubert, nachzusehen, ob der Mann zu Fuß unterwegs war. Aber: "Er stieg in ein Auto." Während Hubert sich das Kennzeichen notierte, rief Cieslik die Polizei. Dann wurde es aber gefährlich: Der Mann habe zurückgesetzt – Hubert stand hinter dem Auto. "Das hat er aber wohl nicht gesehen", erzählen die beiden Frauen im Gespräch mit dem Schwabo.

Cieslik griff beherzt ein: Sie öffnete die Tür des Autos und nahm dem Mann den Schlüssel ab. Die Aktion gefiel dem Mann natürlich nicht, aber sie habe nicht davon abgelassen und ihn mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe getrunken: "Ich habe ihm gesagt, wenn ich Unrecht haben sollte, entschuldige ich mich natürlich."

Aber die Polizei stellte fest, dass die Frauen mit ihrer Vermutung Recht hatten. Laut einer Mitteilung hatte der Mann einen Atemalkoholwert von mehr als zwei Promille.

Einem Fremden den Autoschlüssel abzunehmen, kostet Überwindung. Cieslik sagt, sie habe trotzdem nicht gezögert. "Was hätte ich denn machen sollen, ihn einfach weiterfahren lassen?", fragt sie entrüstet.

"Er hat zwar gesagt, er wohne nicht weit weg", so Cieslik, aber beide Frauen sind sich einig: Ein schlimmer Unfall kann überall passieren. "Man hört so oft von Autounfällen, bei denen der Betrunkene überlebt und Unschuldige leiden", so Cieslik. "Wenn etwas passiert wäre, hätte ich doch nur ein schlechtes Gewissen gehabt. Das geht nicht."

Sich einzusetzen, halten beide für sehr wichtig

Die Aktion hat Aufsehen erregt. "Viele haben mir schon gesagt, dass sie nicht den Mut dazu gehabt hätten", sagt Hubert. "Aber es ist doch einfach wichtig, in solchen Fällen einzugreifen." Natürlich sollte sich niemand selbst in Gefahr bringen, sind die Frauen sich einig. "Wir hatten das Glück und die Chance, eingreifen zu können." Dass viele Menschen in ähnlichen Situationen die Augen verschließen, stimmt sie trotzdem traurig. Sie würden sich wünschen, dass mehr Zivilcourage gezeigt wird.

In diesem Fall sei das Eingreifen der Angestellten richtig gewesen, stellt die Pressestelle der Polizei auf Nachfrage unserer Zeitung klar.

"Kommt man zu dem Schluss, dass keine Gefahr für einen persönlich von der Situation ausgeht, ist kein Grund ersichtlich, nicht zu helfen. Wenn aber eine Gefahr für das eigene Leben oder die Gesundheit besteht, muss die Entscheidung einzugreifen, natürlich gutüberlegt erfolgen", so die Polizei. Dabei sei aber Paragraf 323 c Strafgesetzbuch ("Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen") zu beachten. Vereinfacht gesagt: Wer wegsieht, obwohl Hilfeleistung erforderlich und zumutbar ist, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die Grundregeln der Zivilcourage lauten:

Helfen, aber sich nicht selbst in Gefahr bringen

Die Polizei unter 110 alarmieren

Andere um Mithilfe bitten

Tätermerkmale einprägen

Um Opfer kümmern

Als Zeuge aussagen.

Wer sich für andere einsetzt, ist zudem unfallversichert.